Rottenburg

Corona-Tagebuch: Tobias Raidt

In der täglichen Kolumne schreibt der Rottenburger Gastronom Tobias Raidt.

16.05.2020

Von Tobias Raidt

Tobias Raidt. Privatbild

Tobias Raidt. Privatbild

Vor dem März hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass politisch getroffene Ad-hoc-Entscheidungen einmal solch heftige Auswirkungen auf unser (Familien)-Leben haben könnten. Mir selbst wurde durch die verordnete Schließung von Restaurants quasi ein Berufsausübungsverbot auferlegt, meine Frau ist zu Haus in Kurzarbeit, die Kinder traf es nicht minder.

Weder Schulbesuche noch Musikstunden, keine Theaterkurse, kein Kinderturnen, kein Domchor, Fußball und Klavierunterricht. Firmung, Schullandheim und Schüleraustausch abgesagt, weder Oma- noch Restaurant- oder Freibadbesuche sind möglich. Aktuell wird mir die Fülle der Tage vor der gesetzlich verordneten Zwangsentschleunigung erst richtig bewusst.

Trotzdem habe ich bisher nicht oft das Gefühl, wirklich etwas zu vermissen. Es ist nicht so, dass unser Dasein ohne die reguläre Alltagstermindichte plötzlich langweilig geworden ist. Nur anders. Nicht nur für uns Eltern dreier Heranwachsender, sondern mehr noch für diese selbst. Durch den schulischen Fernunterricht haben sie innerhalb kürzester Zeit eine Technikaffinität entwickelt, die uns Eltern staunen macht. Unsere Überlegungen, wie wir unsere Kinder während ihrer Entwicklung in die digitale Welt begleiten können, sind überflüssig geworden. Nun müssen wir Eltern schauen, dass wir mit dem Tempo, welches die Kinder im Umgang mit den Medien und der Vielzahl an Lern- und Unterrichtssoftware an den Tag legen, noch halbwegs mithalten können.

Mehr gemeinsame Mahlzeiten, mehr miteinander im Haus machen, spielen, diskutieren, lernen und zusammen Filme gucken – die Tage ähneln plötzlich wieder denen meiner eigenen Kindheit. Darüber freuen sich vor allem die Kinder; sie scheinen die bisherige, oft durchgetaktete, Tagesstruktur nicht sonderlich zu vermissen.

Wir werden uns jedenfalls bemühen, einige der positiven Begleiterscheinungen dieser Zeit mit in die Post-Corona-Zeit hinüber zu nehmen. Und freuen uns trotzdem auch schon alle darauf, endlich wieder etwas zu unternehmen.