Bio-Lebensmittel

Von der Randerscheinung zum Massenprodukt

Seit Jahren verzeichnet die Öko-Landwirtschaft Zuwächse. Corona verstärkt den Trend.

17.04.2021

Von dpa

Hühner des Bioland-Hofs Pfeifer. Foto: Sebastian Gollnow

Hühner des Bioland-Hofs Pfeifer. Foto: Sebastian Gollnow

Frankfurt/Mainz. „Wir waren die Körnerfresser. Die Durchgedrehten.“ Als sich Gertrud und Herbert Pfeifer Ende der 1970er Jahre entschieden, ihren Bauernhof vor den Toren Frankfurts nach ökologischen Kriterien auszurichten und Kunstdünger, Pestiziden und Co. abzuschwören, schlug ihnen in ihrem Ort Unverständnis entgegen. „Drei Jahre gebe ich euch, dann seit ihr weg, sagte uns damals ein anderer Bauer“, erinnert sich die 74-jährige Hofbesitzerin zurück.

Der skeptische Kollege hatte sich getäuscht: Mittlerweile gibt es in dem Ort am Hang des Taunus keinen konventionellen Landwirtschaftsbetrieb mehr. Die Pfeifers hingegen haben die Fläche ihres Biohofs von 10 auf 70?Hektar vergrößert. Die Kundenzahlen schnellten immer hoch, wenn mal wieder ein Lebensmittelskandal die Verbraucher verunsichert, erzählt die 74-Jährige. Auch zum Höhepunkt der Corona-Krise: „Da standen die Kunden Schlange bis auf die Straße.“

Dieses starke Interesse ist nicht nur im Taunus zu beobachten. Knapp 15?Milliarden Euro haben die Deutschen 2020 für Bio-Lebensmittel und -Getränke ausgegeben, wie der deutsche Bio-Spitzenverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) mitteilt. Der Umsatz mit Biolebensmitteln stieg demzufolge um 22,3?Prozent.

„Viele Menschen arbeiten im Homeoffice und kochen selbst“, erklärt Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland. „Dabei achten Sie immer mehr auf die Qualität und Herkunft der Lebensmittel.“ Bioland wächst bei dieser Entwicklung mit und ist nach eigenen Angaben mit 8504?Betrieben auf einer Gesamtfläche von 475?068 Hektar Deutschlands größter Bio-Anbauverband.

Die vor drei Jahren getroffene Entscheidung, Bioland-Produkte auch beim Discounter Lidl in die Regale zu bringen, hat sich nach Einschätzung des Verbands bewährt. „Mit der Ausdehnung unserer Partnerschaften im Handel erreichen wir immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher, die zuvor noch keinen Zugang zu Bioland-Produkten hatten“, betont Wehde.

Grundlage der Bio-Lebensmittelwirtschaft ist nach BÖLW-Angaben die EU-Öko-Verordnung, die seit 1991 in Kraft ist und stetig weiterentwickelt wird. Sie gilt für pflanzliche und tierische Lebens- und Futtermittel aus ökologischer Landwirtschaft und ökologischer Verarbeitung. Die Vorschriften nationaler Bio-Verbände wie Bioland und Demeter gehen in einigen Bereichen über diese Vorgaben hinaus.

Nach Ansicht von Bioland machen es der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität notwendig, die gesamte Landwirtschaft stärker an ökologischen Kriterien auszurichten. Dafür seien die hohen Folgekosten einer zu intensiven Bewirtschaftung und Massentierhaltung zu berücksichtigen. Daher fordere Bioland die Einführung von Abgaben auf synthetische Pestizide und Stickstoffmineraldünger, erklärt Wehde. Zudem müssten bei der Umsetzung der EU-Agrarpolitik auf Bundes- und Länderebene die zur Verfügung stehenden Fördergelder für die Landwirtschaft viel stärker Leistungen im Umwelt-, Klima-, und Tierschutz berücksichtigen.

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Erstellt:
17.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 17.04.2021, 06:00 Uhr

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