Kommentar

Von Wahlsiegern und ihren Raumnöten: AfD-Flüchtlinge im Stadion

Im Stadion an der Kreuzeiche sind am Wochenende die ersten Flüchtlinge eingezogen. Freilich nicht die Kriegsflüchtlinge aus Syrien und anderen kriegsgebeutelten Ländern, sondern ausgerechnet jene Zeitgenossen, die den Asylbewerbern lieber heute als morgen die Türe vor der Nase zuschlagen würden: Die AfD hat am Sonntag im VIP-Raum der Kreuzeiche-Kicker ihre Wahlparty abgehalten, weil sie in Reutlingen sonst nirgends einen Raum zum Feiern fand.

15.03.2016

Im Joli, wo sie sich zuvor schon mehrfach getroffen hatten, waren ihnen die Liberalen zuvor gekommen. Und sonst wollte sie niemand haben.

Die Stadt, in deren Besitz sich das Stadion befindet, konnte und wollte der rechtspopulistischen Partei den Zutritt nicht verwehren. Den VIP-Raum, betonte Uwe Weber, der Leiter des Schul- und Sportamts, gestern auf Anfrage des TAGBLATTs, könne schließlich jeder anmieten – für Hochzeiten, Konfirmationen oder eben für Parteifeiern. So sei dies auch im Falle der AfD-Wahlparty gewesen. Freilich nicht ohne sich vorher mit der Polizei über eventuelle Sicherheitsprobleme abzusprechen: „Wir haben Grünes Licht bekommen.“

AfD-Kandidat Wolfram Hirt wollte freilich erst gar nicht, dass es bekannt wird, wo seine Partei feiert – aus Furcht vor Störern. Wer am Sonntag zum Stadion kam, musste sich daher zunächst im Dunkeln zurecht finden. Weder der Parkplatz war beleuchtet, noch der Treppenaufgang. Licht gab es lediglich im VIP-Raum selbst, wo die AfD-Parteifunktionäre und ihre Sympathisanten erst nach 19 Uhr nach und nach einliefen. Schließlich feierten rund 60 AfD-Freunde ausgelassen ihr hervorragendes Abschneiden – dort, wo sonst Tore des SSV bejubelt werden.

Darunter übrigens auch einige „Flüchtlinge“ aus dem Nachbarwahlkreis: Der AfD-Kreisverband Tübingen hatte seine eigene Wahlparty kurzerhand nach Reutlingen verlegt, weil die Wirtin des Ofterdinger Schützenhaus der Partei wieder absagte. Sie hatte „etliche Drohungen“ erhalten, auch hatten Gäste angekündigt, nicht mehr zu kommen, sollte sie die AfD bewirten.

Schwierigkeiten, einen Raum für ihre Wahlparty zu finden, hatten übrigens auch die Grünen und Unabhängigen. Schon vor Wochen hatten sie beim Café Nepomuk nachgefragt und waren eigentlich davon ausgegangen, dass die Wahlparty dort im passenden selbstverwalteten Ambiente steigen könnte. Doch dann, berichtete der Landtagskandidat Thomas Poreski im Gedränge des Jahnhauses, wo er mit seinen Parteifreund(inn)en schließlich feierte, sei relativ kurzfristig die Absage des Kollektives gekommen. Im Nep habe man befürchtet, dass dann keine anderen Gäste mehr hätten kommen können – und eine geschlossene Veranstaltung für die Grünen wollte man wohl nicht.

Eigentlich hätte Poreski ja am liebsten im soziokulturellen Zentrum franz. K gefeiert, aber da war schon seit längerem das Benefizkonzert „Herztöne“ zugunsten der Flüchtlingshilfe der Caritas geplant. Und so landeten die Grünen schließlich im liebevoll mit grünen Luftballons und grünen Schokoeiern dekorierten Nebenraum des Jahnhauses auf dem TSG-Gelände in der Ringelbachstraße. Abgesehen von der drangvollen Enge – für 60 Personen war der Raum einfach etwas zu klein – war Poreski mit der barrierefreien Lokalität überaus zufrieden: „Die Bewirtung und der Service waren sehr gut.“ Und die Stimmung ohnehin.Uschi Kurz