Antisemitismus

Von Schmähungen zum Dialog

Hass auf Juden ist kein Thema der Vergangenheit. Auch Kirchen haben lange Zeit diese Haltung geschürt.

15.05.2021

Von ELISABETH ZOLL

Nicht immer wird Solidarität im Israel so sichtbar, wie bei dieser Kundgebung in Freiburg. Foto: Arnulf Hettrich/Imago

Nicht immer wird Solidarität im Israel so sichtbar, wie bei dieser Kundgebung in Freiburg. Foto: Arnulf Hettrich/Imago

Frankfurt. Brennende Israelfahnen, antijüdische Parolen: Der Antisemitismus in Deutschland ist tief verankert und leicht abrufbar. Lange Zeit auch in den Kirchen. „In früheren Jahren wurde Judenhass noch von den Kanzeln in den Kirchen gepredigt“, sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Das sei in den Köpfen vieler älterer Menschen gespeichert. Sie vererben es an die jüngere Generation.

Christen und Juden verbindet über die Jahrhunderte eine problematische Beziehung. „Gottesmörder“, „Jesusmörder“ tönte es nicht erst während des Nationalsozialismus von vielen Kanzeln. Juden wurden geschmäht, etwa in der Luther-Übersetzung der Bibel. Die Kirchen hätten sich gewandelt, sagt Schuster. Vor allem an der Kirchenspitze. Sorgen bereitet ihm, was in Gemeinden vor Ort noch verbreitet wird.

„Schaut hin“ lautet das Motto des überwiegend digitalen Kirchentages, der von Frankfurt aus gesteuert wird. Die Mainmetropole ist für das christlich-jüdische Miteinander ein guter Ort. Keine andere Großstadt ist so jüdisch wie Frankfurt. Rund 7000 Mitglieder zählen die jüdischen Gemeinden. Kultur, Wirtschaft und Politik werden von jüdischen Bürgern mitgestaltet, erläutert OB Peter Feldmann, selbst jüdischen Glaubens. Doch klappt damit auch das Miteinander? Nicht immer. Auch in Frankfurt werde die Schoa von einigen Bürgern relativiert und die jüdische Erinnerungskultur abgewertet. Feldmann: „Rechtsradikalismus und Antisemitismus sind die größten politischen Bedrohungen unserer Zeit.“

Bildung und Begegnung

Josef Schuster besorgt derweil der Antisemitismus, der bei Anti-Corona Demonstrationen sichtbar wird. Da werden Judensterne durch die Straßen getragen. Manch ein Redner stilisiert sich zum „Widerstandskämpfer“ und schmäht damit jene, die für ihren Protest ihr Leben riskierten. Durch antisemitische Verschwörungsmythen sei der Hass auf Juden leicht abrufbar, betont Marina Chernivsky vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment in Berlin. Nicht nur in Deutschland. Europaweit steigen die Zahlen antisemitischer Hassverbrechen. Das weiß Katharina von Schnürbein, Antisemitismusbeauftragte der EU. Befeuert auch von sozialen Netzwerken, in denen bisher straflos verbreitet wird, was offline Anlass für Strafermittlungen ist.

Doch was tun gegen Judenhass. Josef Schuster: „Kein Kind wird als Antisemit geboren.“ Der Zentralratspräsident setzt auf Bildung schon im Vorschulalter und auf persönliche Begegnungen. Und auf einen offenen Austausch über neuen Antisemitismus in Schulen. Viel zu oft noch bleibe es bei einem historischen Verständnis von Antisemitismus. Doch dieser ist in der Gegenwart präsent. Davon zeugen brennende Fahnen. Elisabeth Zoll