Mössingen

Artensterben: Voller Einsatz für das Rebhuhn

Nicht nur das Auerwild, auch der früher weit verbreitete Feldvogel ist im Südwesten inzwischen vom Aussterben bedroht. Das Vogelschutzzentrum Mössingen kämpft mit ersten Erfolgen um die Art.

18.01.2021

Von Petra Walheim

Im Südwesten ein eher seltener Anblick: Ein Rebhuhn in der freien Natur. Foto: Dennis Jacobsen/Shutterstock.com

Im Südwesten ein eher seltener Anblick: Ein Rebhuhn in der freien Natur. Foto: Dennis Jacobsen/Shutterstock.com

Auf der Karte des Deutschen Jagdverbandes zur Rebhuhn-Dichte ist Baden-Württemberg größtenteils in Hellblau gezeichnet. Hellblau steht für null Paare pro 100 Hektar Offenlandfläche auf Gemeinde-Ebene. Nur im Norden des Landes gibt es noch einzelne Exemplare. Und im Raum Tübingen. Dort kämpft das Nabu-Vogelschutzzentrum Mössingen seit 2017 im Rahmen des Kooperationsprojekts „Rebhuhnschutz im Landkreis Tübingen“ um den Erhalt des Feldhuhns, das früher gejagt wurde.

Heute müssten die Jäger lange warten, bis sie ein Rebhuhn vor die Flinte bekämen. Der grau-braune Feldvogel ist akut vom Aussterben bedroht. Nach Auskunft des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) sind die Bestände in Deutschland seit 1980 um 91 Prozent zurückgegangen, europaweit um 90 Prozent.

Auch in Baden-Württemberg sank die Zahl des einst häufig vorkommenden Feldhuhns kontinuierlich: von etwa 2500 Revieren Ende der 1980er Jahre auf aktuell nur noch geschätzt 1500 bis 700 Reviere landesweit, „mit Tendenz zum unteren Bereich“, informiert der Nabu. 250 Reviere sind nach Einschätzung von Fachleuten die Untergrenze, damit die Tiere langfristig überleben können.

Kaum noch Lebensraum

Im Landkreis Tübingen, einem der letzten Verbreitungsschwerpunkte im Land, gibt es aktuell 49?Rebhuhn-Reviere. Tendenz steigend. Das ist die Ausnahme und auch nur deshalb möglich, weil sich dort die Naturschützer des Nabu-Vogelschutzzentrums Mössingen mit Landwirtinnen und Landwirten und dem Projekt „Rebhuhnschutz“ für die Vögel einsetzen.

Um den mausgrauen Allerweltsvogel steht es deshalb so schlecht, weil er auf den ausgeräumten und landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen weder Nahrung noch Lebensraum findet. Rebhühner brauchen nach Auskunft des Nabu vielfältige Strukturen mit aufgelockerten Getreidebeständen, Brachflächen mit blühenden Pflanzen, Ackerraine und Altgrasstreifen. Mit dem Kooperationsprojekt „Rebhuhnschutz im Landkreis Tübingen“ soll den Vögeln Lebensraum zurückgegeben werden.

Das Projekt startete 2017 und kann erste Erfolge vorweisen. Nach Auskunft des Nabu ist die Zahl der Rebhühner in den Projektgebieten um 100 Prozent gestiegen. Mit dazu beigetragen hat die Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten. Sie haben auf vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen mehrjährige Blühmischungen gesät und rebhuhn-gerechte Heckenpflege betrieben.

Unterstützt wird der Kampf um das Überleben des Rebhuhns und anderer bedrohter Arten von der Landesregierung mit dem Biodiversitäts-Stärkungsgesetz. Das schreibt vor, dass zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen als Rückzugsräume für bedrohte Arten gestaltet werden müssen. Dazu gehören Blühbrachen und Stoppeläcker.

Die Schweiz hat diesen Kampf bereits verloren. Nach Informationen des Nabu wurde im Nachbarland im Jahr 2020 noch ein einziges Rebhuhn beobachtet – in der Nähe von Genf. Die Schweizerische Vogelwarte geht davon aus, dass das Rebhuhn im Land ausgestorben ist und nennt das in ihrem Zustandsbericht 2020 einen „traurigen Tiefpunkt für diesen Allerweltsvogel des Landwirtschaftsgebiets“.

Nach den bisherigen Erkenntnissen wurde zu spät reagiert. Der Schweizer Rebhuhn-Bestand war bereits 2002 weitgehend zusammengebrochen: von rund 10?000 Tieren Mitte des 20. Jahrhunderts auf zwei kleine Restvorkommen in den Kantonen Genf und Schaffhausen. Für das Aussterben waren dort auch zu große Fuchsbestände, witterungsbedingte Bestandseinbrüche und Störungen durch Erholungssuchende verantwortlich.

Hoffen auf erfolgreichen Schutz

„Maßnahmenumsetzungen müssen beginnen, bevor die Bestände zusammengebrochen sind, das ist eine wichtige Lehre aus den Schweizer Projekten“, sagt Daniel Schmidt-Rothmund, Leiter des Nabu-Vogelschutzzentrums Mössingen. Er hofft, „dass wir noch früh genug dran sind, um das für den Landkreis Tübingen und ganz Baden-Württemberg zu verhindern“.

Die Hoffnung ist berechtigt, das Projekt zeigt erste Erfolge. Um das Rebhuhn in der modernen Agrarlandschaft zu halten, seien „große gesellschaftliche Anstrengungen“ nötig, betont er.

Dazu gehört auch das Mitwirken der Kommunen, sagt Sabine Geißler-Strobel von der Initiative Artenvielfalt Neckartal. Sie müssten bei der Ausweisung von Baugebieten und der Planung von Infrastrukturarbeiten auch die Bedürfnisse des Rebhuhs berücksichtigen.

Auch die Bevölkerung ist gefordert. Spaziergänger sollten auf den Feldwegen bleiben und Hunde anleinen. „Es braucht ein Bewusstsein der Menschen dafür, dass sie in einem Feldvogel-Gebiet leben“, sagt Nabu-Projektleiterin Karin Kilchling-Hink. Und sie könnten stolz darauf sein, dass es im Kreis Tübingen eines der letzten Rebhuhn-Vorkommen des Landes gibt.

Nabu reicht in Brüssel Beschwerde ein

Um seinen Forderungen für den Erhalt des Rebhuhns Nachdruck zu verleihen, hat der Nabu Deutschland bei der EU-Kommission eine offizielle Beschwerde gegen Deutschland eingereicht. Bund und Länder werden aufgefordert, ihre Schutzprogramme für Feldvögel nachzubessern.

Derzeit laufen in Brüssel die Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Nach Ansicht des Nabu hängt die Zukunft des Rebhuhns „ganz maßgeblich“ von den Verhandlungen ab.

Das Rettungsprogramm des Nabu-Vogelschutzzentrums Mössingen ist ein vom Land gefördertes Projekt für 2017-2022.