Tübingen · Corona

Vielleicht mal ein Bonbon für den Narren-Nachwuchs

Wie die Tübinger Fasnetsvereine mit der Pandemie umgehen: Das Internet ist für die meisten keine wirkliche Alternative.

14.02.2021

Von Stefan Gokeler

Ein Bisschen Fasnet geht selbst in Corona-Zeiten: Gestern schauten die Seniorinnen der Bühler Straßenfasnet mit selbstgebackenen Fasnetsküchle bei denMitgliedern des örtlichen Seniorentreffs vorbei. Hier klingelten (von links) Sabine Pyrrhus, Ingrid Räthel, Rosa Wutz und Christel Stöckl bei Maria Herth, der Gründerin der Bühler Straßenfasnet. Die revanchierte sich mit einer hochwirksamen und – fast –nebenwirkungsfreien Schluckimpfung. Bild: Ulrich Metz

Ein Bisschen Fasnet geht selbst in Corona-Zeiten: Gestern schauten die Seniorinnen der Bühler Straßenfasnet mit selbstgebackenen Fasnetsküchle bei den Mitgliedern des örtlichen Seniorentreffs vorbei. Hier klingelten (von links) Sabine Pyrrhus, Ingrid Räthel, Rosa Wutz und Christel Stöckl bei Maria Herth, der Gründerin der Bühler Straßenfasnet. Die revanchierte sich mit einer hochwirksamen und – fast –nebenwirkungsfreien Schluckimpfung. Bild: Ulrich Metz

„Fasnet im Herzen“ ist das Motto in diesem Jahr, in dem wegen Corona weder Hallenfasnet noch Umzüge möglich sind. Die Zünfte in der Stadt und ihren Teilorten gehen unterschiedlich damit um. Überhaupt keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen veranstaltet die Narrenzunft Tübingen, die eigentlich in diesem Jahr Ausrichter des hiesigen Treibens am Fasnetswochenende gewesen wäre. Sie hatte sich schon im August vergangenen Jahres entscheiden, alles abzusagen. Ein Ausweichen ins Internet sei für die Stadthexa, Raupe, Närrele und Schwarze Männle nie in Frage gekommen, sagt Zunftmeister Markus Beuter. „Das wäre für uns mehr Schmerz und eine lauwarme Geschichte als ein echter Ersatz“, begründet er die Entscheidung. Auch unter den Mitgliedern habe er kein Bedürfnis nach derlei Aktivitäten im Netz verspürt.

Es sei aber nicht nur die fehlende Motivation, sondern auch eine bewusste Entscheidung gegen bestimmte Formate, die sich in sozialen Medien gut verbreiten lassen. Kritisch sieht Beuter zum Beispiel die „Narrenbecher-Challenge“, an der sich auch etliche Zünfte aus der Region beteiligt haben. Dabei wird in kleinen Filmchen ein Becher mit häufig alkoholischem Inhalt leergetrunken und am Bildrand scheinbar an den nächsten Narren weitergereicht. Fasnet als Spaßkultur mit Alkohol im Mittelpunkt – das sei nicht das, was die Narrenzunft Tübingen gerade Jugendlichen im Internet vermitteln wolle, sagt Beuter. „Da reißen wir mit dem Arsch ein, was wir zehn Jahre lang aufgebaut haben“, fürchtet er. Zugleich betont der Zunftmeister, dass man die Entscheidung anderer Zünfte absolut respektiere, sich mit teils aufwendig produzierten Filmen im Netz zu präsentieren.

Zu denen gehört auch die Narrenzunft Hirschau. Auf deren Website, auf Facebook und Instagram ist in der Hoch-Zeit der Fasnet täglich ein neues Video zu sehen. Dort gibt es vom „Weible vom Holderbusch“ einen traurigen Abgesang auf die diesjährige Fasnet zur Melodie von „Ich war noch niemals in New York“, die Verweigerung des Rathaussturms durch Ortsvorsteher Ulrich Latus oder auch einen coronagerechten Hexentanz zu sehen. Wolfgang Rieker, Vorsitzender des hinter der Zunft stehenden Vereins, spürt unter den Mitgliedern eine große Sehnsucht nach der Fasnet: „Es schmerzt unheimlich.“ Immer wieder gingen Anfragen ein, ob man wenigstens im Häs durch den Ort streifen dürfe, was die Zunftordnung vom Schmotzigen Donnerstag bis Fasnetsdienstag erlaubt. So lange nicht mehr als zwei Personen durch die Straßen ziehen, sei dagegen nichts einzuwenden, findet Rieker.

Sogar der eine oder andere Narrenwagen könnte womöglich heute oder morgen in Hirschau unterwegs sein. „Ein Fahrer, einer auf dem Anhänger, kein Alkohol und kein Blödsinn“ – das ist für Rieker die Maxime. „Die Corona-Verordnung darf auf keinen Fall in Gefahr gebracht werden.“ Was aber nicht ausschließe, dass Jung-Narren auch ein Bonbon zugeworfen bekommen. Für die Hirschauer Rotmäntele, Feurigen Hunde und Äschadreppler ist die Absage aller Veranstaltungen besonders schmerzhaft, weil sie über die vereinseigene
Stefan-Hartmann-Halle verfügen. Während der Fasnet ist sie mit Platz für bis zu 1200 Personen eine wichtige Einnahmequelle, unter dem Jahr wird sie normalerweise für Betriebsfeiern, Konzerte, Hochzeiten oder Vereinsfeste vermietet. „Seit Aschermittwoch 2020 haben dort gerade mal zwei Veranstaltungen stattgefunden“, berichtet der Vereinsvorsitzende. „Seither kostet die Halle nur Geld.“ Die 1500 Euro aus staatlichen Unterstützungsprogrammen für Vereine, die die Hirschauer Narren für das Jahr 2020 erhalten haben, seien da nur ein winziger Obulus. „Wir hoffen sehr, dass wir bald wieder in die Vollen gehen können“, sagt Rieker. „Sollte es nächstes Jahr wieder keine Fasnet geben, bekommen wir richtige Probleme.“