Pandemie

Viel Ärger, wenig Impfstoff

Die Corona-Infektionszahlen steigen weiter – aber Astrazeneca wird nicht mehr injiziert. Nun sollen Sputnik und Johnson & Johnson auch in deutschen Werken produziert werden.

16.03.2021

Von HAJO ZENKER

Die Produktion von Sputnik, hier ein Blick in die russische Pharma-Herstellung, soll möglichst rasch ausgeweitet werden, damit die Impfkampagnen in Europa vorankommen. Foto: Olga Maltseva/afp

Die Produktion von Sputnik, hier ein Blick in die russische Pharma-Herstellung, soll möglichst rasch ausgeweitet werden, damit die Impfkampagnen in Europa vorankommen. Foto: Olga Maltseva/afp

Berlin. Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca wird zum Desaster. Nachdem das Vakzin des britisch-schwedischen Pharmakonzerns zunächst mit immer neuen Lieferschwierigkeiten und dann mit heftigen Impfreaktionen negative Schlagzeilen gemacht hatte, steht der Impfstoff nun in Verdacht, für gefährliche Blutgerinnsel zu sorgen, die zum Teil zum Tod führen können. Nachdem auch die Niederlande und Irland die Verwendung des Vakzins gestoppt hatten, zog am Montag Deutschland nach. Die Bundesregierung folgte damit einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), der für Impfstoffe zuständigen Bundesbehörde. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einem „vorsorglichen Aussetzen“.

Zuvor hatten bereits mehrere Länder in Skandinavien, im Baltikum und auf dem Balkan die Verimpfung von Astrazeneca auf Eis gelegt. Der Hersteller wies dagegen alle Vorwürfe zurück. Eine Analyse der Daten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritannien habe keine Belege für ein höheres Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln gebracht, die zu Thrombosen führen und Schlaganfälle sowie Lungenembolien auslösen können.

Für die deutsche Impfkampagne ist das Aussetzen ein herber Rückschlag. Schließlich fällt einer von drei bisher genutzen Impfstoffen zunächst komplett aus. So hatten am Wochenende bereits die Bundesländer Thüringen und Hamburg wegen Astrazeneca die weitere Vergabe von Impfterminen gestoppt – nicht aus Sicherheitsgründen, sondern weil Astrazeneca zuvor seine Lieferungen noch weiter reduziert hatte. Nun aber werden bundesweit Impfungen abgesagt werden müssen. Nur Biontech steht noch in größerer Menge zur Verfügung, von Moderna war zu wenig bestellt worden. Und das gerade erst zugelassene Vakzin von Johnson & Johnson wird frühestens Mitte April ausgeliefert. Wie schlimm das für die deutsche Impfkampagne wird, wollte Jens Spahn noch nicht sagen.

Zwar gibt es in Sachen Impfstoff auch positive Nachrichten – aber es ist unklar, wann diese tatsächlich wirken. So teilte Russland mit, man habe eine Vereinbarung über die Produktion des Impfstoffes Sputnik V in Deutschland geschlossen. Auch mit Firmen in Frankreich, Spanien und Italien gebe es Abkommen, hieß es am Montag vom Vermarkter Russian Direct Investment Fund.

Vakzin aus Bayern

Dadurch werde es möglich, ab der Zulassung durch die EMA die Versorgung der EU mit Sputnik zu beginnen, der bisher in 51?Ländern zugelassen sei. Wann die EMA entscheidet, ist aber unklar. Auch wurden konkrete Hersteller nicht genannt. Allerdings war in Italien bereits mitgeteilt worden, dass das schweizerisch-italienische Unternehmen Adienne nördlich von Mailand Sputnik produzieren wird. Bekannt ist zudem, dass der russische Konzern R-Pharm in seinem bayerischen Werk in Illertissen das Vakzin herstellen will. R-Pharm Germany hatte auch bei der EMA die EU-weite Zulassung beantragt. Das wird noch geprüft, in Ungarn und der Slowakei ist Sputnik bereits national zugelassen.

Am Montag wurde zudem mitgeteilt, dass IDT Biologika in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) „ab sofort“ für drei Monate das Vakzin von Johnson & Johnson, das nur eine Dosis braucht, fertigt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lobte, das sei „in der aktuellen Phase der Pandemie ein ganz wichtiges Signal“.

Denn viel mehr Impfungen wären tatsächlich nötig. Zu Wochenbeginn stieg die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100?000?Einwohner, laut Robert Koch-Institut (RKI) zum fünften Mal in Folge – auf 82,9 (Vortag: 79,1). Einen solchen Wert hatte es zuletzt am 3. Februar gegeben. Bereits am Wochenende hatte das RKI davor gewarnt, dass um Ostern herum die Zahlen höher liegen könnten als zu Weihnachten. Der bisherige Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Der Inzidenzwert könne auf 350 ansteigen, bei einer ungünstigen Entwicklung sogar auf mehr als 500, so das RKI.

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Erstellt:
16.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 16.03.2021, 06:00 Uhr

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