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Vertrauenssache

Das Orthopädie- und Sanitätshaus Brillinger im Tübinger Handwerkerpark besteht seit über einem Jahrhundert. Getreu des Mottos „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ ist es vom kleinen Sanitätshaus zu einer der ersten Adressen im Landkreis geworden, wenn es um die Themen Gesundheit und Versorgung geht.

07.10.2019

Von TEXT: Simone Maier|FOTOs: Jörg Romanowski, Unternehmen

Vertrauenssache
Susanne Wrede, Physiotherapeutin bei Brillinger, schaut ganz genau, wie der Patient aus dem Schwarzwald bergauf und bergab geht. Immer und immer wieder. Aber unter ganz besonderen Umständen: die beiden „üben“ nämlich im Laufparcours der Firma Brillinger, der sich hinter dem Firmengebäude befindet und den die wenigsten kennen. Dort gibt es ein Stück mit Kopfsteinpflaster, eine Brücke, einen Anstieg und noch mehr kleine Hürden, die der Alltag für alle „Fußgänger“ so bereit hält. Der gut gelaunte Mittfünfziger aus dem Schwarzwald hat am rechten Oberschenkel eine Beinprothese und übt damit das Laufen, unter Anleitung von Susanne Wrede. Die weiß ganz genau, wovon sie spricht, denn vor drei Jahren wurde auch ihr das rechte Bein amputiert und sie trägt seitdem eine Beinprothese. „Die Patienten sind restlos begeistert von ihr“, sagt der Leiter der Orthopädie-Technik, Thomas Reinhardt. Er beobachtet und dokumentiert das Geschehen vor Ort mit seinem Laptop. Alle paar Jahre kommen Patienten mit Prothesen wieder, um diese neu anpassen zu lassen. Oder um neue Techniken auszuprobieren. Die Mobilität verändert sich im Alter, vielleicht lässt auch die Kraft nach, und so ist es immens wichtig und erforderlich, Prothesen regelmäßig zu adaptieren.

Ingrid Fischer, Geschäftsführung: „Wir sind die Problemlöser bei Spezialversorgungen.“

Ingrid Fischer, Geschäftsführung: „Wir sind die Problemlöser bei Spezialversorgungen.“

Über ein Jahrhundert gibt es das Unternehmen Brillinger bereits. Um 1900 eröffnete Richard Brillinger, Großvater von Klaus Fischer, ein Sanitätshaus in der Neuen Straße in Tübingen. 1922 übernahm er die Orthopädische Werkstätte an der Chirurgischen Uniklinik. Seine Tochter Maria und deren Mann Carl Fischer legten beide Unternehmen zusammen und bezogen einen Neubau in der Rheinlandstraße. Als Klaus Fischer, Enkel von Richard Brillinger, 1983 in das Unternehmen eintrat, wurde es peu à peu so groß, dass ein weiterer Umzug notwendig wurde. Seit 1998 befindet sich Brillinger Orthopädie in der Tübinger Weststadt.

Mit seiner Frau, Ingrid Fischer, führt Klaus Fischer seitdem die Geschicke des Unternehmens äußerst weitsichtig und erfolgreich. Die beiden sind seit über 40 Jahren verheiratet und haben vier Kinder, von denen ein Sohn und die Schwiegertochter im Unternehmen sind. Mit mittlerweile nahezu 270 Mitarbeitern, davon 24 Auszubildende, und Standorten in Reutlingen, Stuttgart, Engen am Bodensee, Rottenburg und Mössingen, zählt das Unternehmen heute zu den Großen in der Gesundheits-Branche. „Auch dieses Jahr haben wir wieder zwölf neue Azubis“, so Ingrid Fischer. Die Ausbildung und damit auch die Nachwuchsförderung liegt der Geschäftsleitung sehr am Herzen. In regelmäßigen Abständen kommt der Lehrling des Monats, ausgezeichnet von der Handwerkskammer Reutlingen, von Brillinger.

Klaus Fischer, Geschäftsführung: „Wir tun alles dafür, um das Maximum an Mobilität für den Betroffenen zu erlangen.“

Klaus Fischer, Geschäftsführung: „Wir tun alles dafür, um das Maximum an Mobilität für den Betroffenen zu erlangen.“

Die Orthopädie-Technik ist der größte Versorgungsbereich von Brillinger. Hier werden Prothesen, Orthesen, Bandagen und viele weitere Serviceleistungen angeboten. „Die hoch individuelle Versorgung von Patienten ist unsere Stärke“, so Klaus Fischer. Es gibt keine Fachmesse, auf der sie nicht vertreten sind, viel Geld wird investiert für eine immer größere und komplexere Spezialisierung. „Mit den Universitätskliniken und der Berufsgenossenschaftlichen Klinik (BG) arbeiten wir sehr gut zusammen“, so Fischer. Brillinger versucht, den Anforderungen aus den Kliniken zum Wohl der Patienten gerecht zu werden.

Umfassend sind daher auch die anderen Versorgungsbereiche, die von der Arm- und Silikontechnik, der Orthopädie-Schuhtechnik, der Rehabilitationstechnik, dem Sanitätshaus bin hin zum großen Thema Home Care reichen. „Durch die immer kürzere Verweildauer der Patienten in der Klinik und die immer schnellere Überleitung in die häusliche Pflege wird gerade der Bereich Home Care immer wichtiger,“ so Ingrid Fischer.

Vertrauenssache
„Unser Handwerk findet immer im Zusammenspiel von Mensch und Wissenschaft statt“, so Klaus Fischer. Ein aktuelles Forschungsthema ist die sogenannte TMR Versorgung (Targeted Muscle Reinnervation), mit deren Hilfe man Armamputierten die intuitive Nutzung ihrer Prothese ermöglicht. Dazu werden die Nerven, die Signale an den natürlichen Arm übertragen hatten, mit anderen Muskeln verbunden. „Stichwort Künstliche Intelligenz“, so Klaus Fischer weiter. Auch hier ist das Unternehmen in konstantem Austausch mit der Universität und ist somit, was Innovationen zur Verbesserung jedweder Mobilität angeht, ganz vorne mit dabei. Kein Wunder also, wenn die Patienten von überall her nach Tübingen kommen. Gerade wartet ein Patient von den Philippinen auf eine neue Prothese. „Einmal kam sogar ein Mann aus Kuwait angereist. Er hatte im Krieg eine Schussverletzung erlitten, die zu einer Blutvergiftung führte und dem man zur Erhaltung seines Lebens das Bein amputieren musste. Ihm konnten wir mit einer für ihn perfekten Prothese helfen,“ so Klaus Fischer.

Ingrid und Klaus Fischer sind ein starkes Doppel. Neben vielen politischen Ehrenämtern ist Ingrid Fischer seit gut vier Jahren Vorsitzende des Vereins „Hand aufs Herz“, den sie zusammen mit Professor Gabler leitet. Sie bemühen sich um Geldspenden für die Herzoperationen der Kinder aus dem Ausland, die von den Professoren Schlensak und Hofbeck operiert werden. Und jetzt mal Hand aufs Herz: Bei so viel Unternehmergeist, unermüdlichem schwäbischen Schaffen gepaart mit dem Herz auf dem rechten Fleck ist es kein Wunder, dass das Unternehmen geradlinig auf Expansionskurs ist.