Bilanz der Lebensmittelkontrolleure

Verdreckte Knochensäge und schmutziger Fleischwolf

Die Kontrolleure des Tübinger Landratsamts leiteten im vergangenen Jahr 80 Bußgeldverfahren und ein Strafverfahren ein. Doch in den meisten Betrieben gab es kaum Hygienemängel

10.04.2019

Von Renate Angstmann-Koch

Vergammelte Essensreste im Spülbecken, eine völlig verdreckte Spülmaschine, schmierige Böden, Chaos in Kühlhaus, Küche und Keller. Die Lebensmittelkontrolleure und Amtstierärzte des Tübinger Landratsamts machten im vergangenen Jahr 3438 amtliche Kontrollen. Jetzt legten sie ihre Ergebnisse vor. Bei vier von zehn Kontrollen gab es zwar kleine Beanstandungen, aber nur in zwei Prozent der Fälle so schwerwiegende Hygienemängel, dass Sanktionen verhängt wurden.

Im beschriebenen Fall wurden die weitere Küchennutzung untersagt, eine Aufräumaktion und eine Grundreinigung angeordnet. Die Inhaberin der Gaststätte musste sich in Sachen Hygiene schulen lassen, und es gab ein Ordnungswidrigkeitenverfahren. Erst nach einer Nachkontrolle durfte die Küche wieder benutzt werden. Der Betrieb wird jetzt in kürzeren Abständen als sonst üblich kontrolliert.

Strafanzeige gegen Inhaber

Auch beim Besuch einer weiteren Gaststätte stießen die Kontrolleure auf große Hygienemängel. Im vollgestopften Kühlschrank war offensichtlich jeglicher Überblick verloren gegangen. Die Kontrolleure stießen auch auf verschimmelte Salatgurken und viele weitere Lebensmittel, die aussortiert werden mussten. Auch hier wurde die Schließung des Betriebs für eine Grundreinigung angeordnet.

In einer Metzgerei fanden die Lebensmittelkontrolleure Geräte vor, die unmittelbar mit Fleisch und Knochen in Kontakt kamen, aber nach Gebrauch längere Zeit nicht gereinigt wurden. Nach Aussehen und Geruch der anhaftenden Reste zu urteilen, wurden sie trotzdem immer wieder benutzt – so etwa eine Knochensäge oder ein Fleischwolf. Beim Wurstfüller hatte sich die Beschichtung gelöst und Rost gebildet. Die raue Oberfläche ließ sich nicht mehr richtig reinigen. Es bestand die Gefahr, dass lose Teilchen in Lebensmittel gelangen. Wegen der gravierenden Mängel wurden Proben von Fleischerzeugnissen genommen. Die Untersuchungsergebnisse trugen dem Betriebsinhaber eine Strafanzeige ein. Er erhielt einen Strafbefehl.

Ungeeignete Gegenstände

In manchen Betrieben wurden Gegenstände verwendet, die für das Aufbewahren oder Bearbeiten von Lebensmitteln nicht geeignet sind. So stießen die amtlichen Kontrolleure auf eine aufgeraute und beschädigte Fleischkiste. Sie stießen auf einen Rührer aus dem Baumarkt, der nicht als Knethaken für die Teigbearbeitung geeignet ist, aber trotz zum Teil abgelöster Beschichtung dennoch als solcher benutzt wurde, und sie fanden Fleischklopfer, die sich wegen starker Beschädigung nicht mehr reinigen ließen, aber dennoch weiter in Gebrauch waren.

Ein Betrieb benutzte eine Haushaltswanne als Behälter für Hackfleisch, obwohl sich selbst bei neuen und sauberen Wannen Farbstoffe und Weichmacher lösen und auf Lebensmittel übergehen können. Auch stark abgenutzte Kunststoffbretter, in deren Rillen sich Lebensmittelreste und Flüssigkeiten sammeln, könnten eine Gefahr darstellen, weil sie das Wachstum von Keimen begünstigen. Sie sollten in der Spülmaschine gereinigt und bei Bedarf abgehobelt werden.

Dennoch: „Die überwiegende Mehrzahl der bei uns ansässigen Lebensmittelunternehmen wird professionell geführt und gibt keinerlei Anlass zu Beanstandungen“, hält die Lebensmittelüberwachung fest. Wie schon in den Vorjahren hält sie in ihrem Bericht 2018 auch viele positive Beispiele im Bild fest.

Als mustergültiges Beispiel zeigt die Lebensmittelüberwachung die Kombidämpfer einer Gemeinschaftsküche. Bild: Landratsamt Tübingen

Als mustergültiges Beispiel zeigt die Lebensmittelüberwachung die Kombidämpfer einer Gemeinschaftsküche. Bild: Landratsamt Tübingen

Etwa die blank geputzte Edelstahl-Küche einer Gemeinschaftsverpflegung, in der täglich 400 Essen zubereitet werden. Deren Kombidämpfer, die dabei helfen, eine große Zahl von Mahlzeiten schonend zu erhitzen. Oder deren Materiallager, in dem alle Lebensmittel verpackt oder in verschlossenen Behältern lagern und nichts auf dem Boden abgestellt ist.

Nicht immer aus der Region

Der Bericht zeigt auch einen Ventilator in perfektem Reinigungszustand, so dass sich weder Staub noch Schwarzschimmel in ihm ansammeln und in der Luft herumgewirbelt werden kann. Oder den Kühlraum einer Metzgerei, in dem selbst unterhalb der aufgehängten Rinderviertel keinerlei Fleischsaft zu erkennen ist.

Allerdings stiegen die Kontrolleure auch auf Mängel bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln. Nicht alles, was als regionales Erzeugnis angepriesen wird, stammt tatsächlich aus der Region. Das lässt sich anhand von Rechnungen, Lieferscheinen und verfeinerter Labortechnik nachverfolgen. So wurde „Bruchsaler Spargel“ angeboten, der aus Bayern kam. Ende April waren „Deutsche Kulturheidelbeeren“ im Handel, die tatsächlich aus Marokko stammten.

Bei Schaffleisch liegt die Selbstversorgungsquote in Deutschland nur bei 40 Prozent. Ein Drittel der Importe stammen aus Neuseeland. In einer Metzgerei wurde zu Beginn der Grillsaison festgestellt, dass zwar mit „Lamm aus eigener Schlachtung“ oder „Lamm von der Alb“ geworben wurde, aber zusätzlich neuseeländische Lammlachse, -koteletts und -grillscheiben über die Theke gingen.

In 76 Fällen gingen Verbraucherbeschwerden bei der Lebensmittelüberwachung ein. Dabei wurde auf gesundheitliche Probleme nach dem Verzehr hingewiesen, auf beobachtete Hygienemängel oder merkwürdigen Geruch. In solchen Fällen empfiehlt die Lebensmittelüberwachung, Belege und Verpackungen nicht wegzuwerfen – und Reste für mikrobiologische Untersuchungen kühl aufzubewahren und gekühlt zu transportieren.

Im Zweifel sollten Verbraucher Stuhlproben abgeben, um die Beweisführung zu erleichtern. Im Jahr 2018 wurden der Lebensmittelüberwachung 15 Fälle von Erkrankung durch den Verzehr von Lebensmitteln gemeldet. Nur in drei Fällen war tatsächlich ein Zusammenhang erkennbar. In einem Fall, in dem die Krankheit gleichzeitig bei mehreren Personen ausbrach, wurde das Bacillus cereus-Toxin in einem Lebensmittel nachgewiesen. Im Falle von zwei weiteren Gruppenerkrankungen waren Noroviren die Auslöser. Viele Verbraucher unterschätzten aber, dass auch in der eigenen Küche Hygienefehler vorkommen könnten.

Fast immer unbegründet war dagegen die Angst vor Chemikalien, besonders vor Pestizidrückständen. Nur in zwei Fällen von Mineralwasser in Plastikflaschen erwiesen sich Beschwerden über einen merkwürdigen Geruch als stichhaltig. Insgesamt wurden 963 amtliche Proben von Lebensmitteln, in geringerem Umfang auch von Bedarfsgegenständen, Tabakwaren und Kosmetika untersucht. 197 erhobene Proben und damit etwas mehr als 20 Prozent wurden beanstandet. Hiervon waren 25 Lebensmittel zum Verzehr nicht geeignet, und zwei Proben wurden als gesundheitsschädlich bewertet.

80 Bußgeld- und ein Strafverfahren

Im Jahr 2018 gab es im Kreis Tübingen 3438 amtliche Kontrollen in Lebensmittelbetrieben auf allen Stufen der Erzeugung, Produktion und des Vertriebs – etwa im Einzelhandel oder in der Gastronomie, Es wurden hierdurch etwa 36 Prozent der zu kontrollierenden Betriebe überwacht.

Bei 40 Prozent aller Kontrollen wurden Verstöße gegen das Lebensmittelrecht festgestellt, die Beseitigung der Mängel eingefordert und überwacht. Den größten Anteil an diesen Verstößen hatten kleine Hygienemängel, ungenügende Eigenkontrolle oder fehlerhafte Kennzeichnungen.

Nur bei 2 Prozent aller Kontrollen wurden Sanktionen verhängt. In zwei Fällen veranlassten die Lebensmittelkontrolleure ein Verwarnungsgeld. Außerdem wurden 80 Bußgeldverfahren und ein Strafverfahren eingeleitet. In 44 Fällen gab es Verkaufs- oder Betriebsbeschränkungen.