Leitartikel

Katholische Kirche: Verbrannte Erde

Schlimmer geht immer. Die Spitze der Erzdiözese Köln um Kardinal Rainer Maria Woelki zeigt das auf erschütternde Weise.

14.01.2021

Von ELISABETH ZOLL

Köln. Die Verantwortlichen lösen Entsetzen aus: zuerst mit der Zurückhaltung eines Gutachten über Kleriker, die sexuelle Gewaltverbrechen begangen haben, und deren Verbündete in der Kirchenhierarchie. Dann durch den Umgang mit diesem Debakel.

Im Erzbistum Köln haben Berater aus dem Dunstkreis des Opus Dei und aggressive Medienanwälte das Zepter übernommen. Wer daran zweifelt, muss nur die „Entschuldigung“ des Kölner Kardinals in der Christmette an Heiligabend lesen. Der katholische Kirchenmann bat nicht etwa um Nachsicht für eigene Versäumnisse. Er entschuldigte sich lediglich dafür, was Kirchgänger an Medien-Kritik am Kardinal ertragen mussten.

Hat Woelki dieses Ablenkungsmanöver selbst ersonnen oder wurde es ihm in den Block diktiert? Bei aller Unbeholfenheit des Kardinals, oder vielleicht auch gerade wegen dieser, will man ersteres kaum glauben. Die Wendigkeit der Sprache deutet auf professionelle Ratgeber. Doch wohin soll dieser Rat führen?

Woelki steht am Abgrund. Vielleicht inzwischen sogar weniger wegen seiner Loyalität zu einem befreundeten Priester, dessen Sexual-Verbrechen er nicht nach Rom gemeldet hat. Sondern mehr, wegen seines katastrophalen Umgangs mit diesem Fehler. Vorläufig letzter Streich war der Versuch des von der Erzdiözese beauftragten Medienanwalts Carsten Bennecke, einer Gruppe von Journalisten zuerst den Einblick in das bisher unterdrückte Gutachten zu offerieren, um dann mit einer anwaltlichen Verschwiegenheitserklärung jegliche Berichterstattung über den Inhalt des Gutachtens zu unterbinden.

Das schmähliche Taktieren ist nicht aufgegangen. Keiner der eingeladenen acht Journalisten hat sich auf den Knebelungsversuch eingelassen. Inzwischen versucht Anwalt Bennecke der Öffentlichkeit weiszumachen, dass die Informationsbeschaffung von Investigativ-Journalisten genau auf diese Weise funktioniert. Der Jurist steht damit allein.

Doch was genau haben diese Finten mit einer Institution zu tun, die sich Wahrhaftigkeit auf die Fahnen geschrieben hat? Nichts! Deshalb ist der Schaden, der in Köln verursacht wird, für die gesamte katholische Kirche so groß. Das wichtige Erzbistum kann sich das fragwürdige Beraterteam nur wegen seines kirchensteuerfinanzierten Reichtums leisten. Köln avanciert zum Skandalbistum. Und Kardinal Woelki?

Fast schon ist er eine tragische Figur. Glaubwürdigkeit und Vertrauen verliert er immer mehr. Wie er mit dieser Talfahrt sein Amt weiter ausfüllen will, bleibt sein Geheimnis. Und doch wäre sein Rücktritt allein keine Lösung. Die gesamte Spitze der Erzdiözese – allen voran Generalvikar Markus Hofmann und Weihbischof Dominikus Schwaderlapp – haben sich im Umgang mit der Missbrauchsaffäre diskreditiert. Die vor vielen Jahren einmal liberale Erzdiözese braucht einen grundlegenden Neuanfang. Er nähme seinen Ausgang auf verbrannter Erde.

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