Nachtzüge: Urlaubsfahrt verschlafen

Das Angebot von Schlafwagen steigt in Europa.

Das Angebot von Schlaf- und Liegewagen auf der Schiene steigt europaweit. Die Deutsche Bahn ist nur in Kooperationen dabei.

02.08.2021

Von Thomas Veitinger

Die Österreichische Bundesbahn investiert kräftig in ihr Nachtzuggeschäft. Foto: Lars Franzen

Die Österreichische Bundesbahn investiert kräftig in ihr Nachtzuggeschäft. Foto: Lars Franzen

Berlin. Ein Willkommens-Getränk, Handtücher, Hausschuhe und Ohropax, Weckservice zur gewünschten Uhrzeit und ein Frühstück mit Orangensaft, Schinken und Bio-Schnittkäse. Wer da an ein Hotel denkt, hat Recht – allerdings eines auf Schienen. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) bietet in seinem „Nightjet“ ein Deluxe-Abteil mit eigenem Bad, Frühstück à al carte und „Welcome Bag“ an. Seit Mai fährt der Zug etwa von Wien über Passau, Nürnberg, Köln nach Amsterdam. Abfahrtszeit 20.13 Uhr, Ankunft 9.58 Uhr. Kosten zum Beispiel am 4. Oktober 2021 im Abteil mit Dusche und nur einem Bett: 230 Euro.

Und die Deutsche Bahn? Bis zum Jahr 2016 rollten Schlafgelegenheiten auch für die DB. Dann wurde das Angebot wegen nachlassender Nachfrage aufs Abstellgleis rangiert und trotz guter CO2-Bilanz aufgrund des „schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses“ auch in den Folgejahren nicht wieder eingeführt, wie es in einer Antwort der Bundesregierung heißt. Dabei erwirtschaftet die ÖBB – die Teile der deutschen Nachtzüge übernommen hat – ein wirtschaftlich ausgeglichenes Ergebnis, bestätigt Sprecher Bernhard Rieder: „Reich wird man damit nicht. Aber wir könnten keine internationale Linie fahren, wenn wir Geld verbrennen würden.“

So ist die ÖBB-Strecke nach Venedig derzeit ausgebucht. „Wir bekommen immer wieder Beschwerden, unser Buchungssystem wäre defekt, weil es nur belegte Nachtzüge zeige, dabei ist die Strecke einfach sehr beliebt“, sagt Rieder.

Auch in anderen europäischen Ländern entstehen neue Verbindungen. Der ADAC empfiehlt neben dem „Nightjet“, dem „Alpen-Sylt-Nachtexpress“, dem „Intercités de nuit“ von Paris in die französischen Alpen auch den „Berlin-Night-Express“ nach Schweden. Auch spanische und niederländische Bahnen starten mit neuen Verbindungen. Der Anbieter Train4you nimmt zwischen Lörrach und Hamburg-Altona auch Autos mit.

Die Verbindung Zürich-Köln-Amsterdam soll im Dezember ebenso wie die Strecke Wien-München-Paris aufgenommen werden. Beteiligt sind daran Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Niederlande. Die DB ist nach eigener Auffassung nie ganz aus dem Nachtzuggeschäft ausgestiegen. „Wir haben das Geschäftsmodell geändert“, erklärt eine Sprecherin. „Der Nachtverkehr wurde auf zwei Säulen gestellt: zum einen Nacht-ICE und Intercity, zum anderen auf die jahrelange enge Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnerbahnen“. 2016, als sich die DB vom eigenen Schlafwagenabteil verabschiedet hat, nutzten 3,7 Millionen Menschen Nachtzüge in Sitz-, Liege- und Schlafwagen. 2019 waren in Summe 5 Millionen Fahrgäste mit der DB über Nacht im sogenannten Kooperationsverkehr mit der ÖBB und den Nacht-ICE/ICs unterwegs.

Die größte Konkurrenz ist neben dem Auto der weniger umweltfreundliche aber oft preiswertere und schnellere Billigflug. Wenn jeder ein bisschen Nachtzug betreibe, sei im Wettbewerb gegen Auto und Flugzeug nichts gewonnen, argumentiert die DB. Deshalb sei eine neue Partnerschaft mit der österreichischen, der schweizerischen und der französischen Bahn nötig.

Das Nachtzuggeschäft ist laut DB „eine Herausforderung“. Die speziellen Schlaf- und Liegewagen können im Tagesverkehr nicht eingesetzt werden. Außerdem sind spezielle Anlagen und Mitarbeiter in den Werken notwendig.

Laut ÖBB sind Schlafwagen teuer, weil darin wenig Reisende auf relativ viel Platz mit Service wie Bettenbeziehen und Frühstück versorgt werden. Die Österreichische Bahn investiert trotzdem und steckt 790 Millionen Euro in das Nachtgeschäft. 33 neue Züge für je 19 bis 20 Millionen Euro von Siemens sollen Annehmlichkeiten für Reisende bringen. Die Zahl der Reisenden wollen die Österreicher von 1,5 Millionen (2019) auf 3 Millionen (2026) verdoppeln.

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Erstellt:
02.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 02.08.2021, 06:00 Uhr

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