Bildung

Unis schlagen Alarm

Hochschulen protestieren gegen Unterfinanzierung. Sie fordern jährlich 450?Millionen Euro, die Regierung spricht nur über 100 Millionen.

28.08.2019

Von JENS SCHMITZ

Stuttgart. Mit einem Alarmruf sind Vertreter sämtlicher Hochschularten in Stuttgart an die Öffentlichkeit gegangen: Die Landesregierung scheine den Wissenschaftssektor totsparen zu wollen; die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs sei in Gefahr.Der Vorsitzende der Universitätsrektoren-Konferenz, Bernhard Eitel: „Das System ist am Ende!“

„Wir appellieren an das Land Baden-Württemberg, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit, die hohe Qualität in Forschung und Lehre nicht zu gefährden“, sagte der Rektor der Heidelberger Universität in einer eigens anberaumten Pressekonferenz. Der Chef der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Bastian Kaiser (Rottenburg), sagte, man sei „in höchstem Maße“ beunruhigt und irritiert.

In den Verhandlungen um einen neuen Hochschulfinanzierungsvertrag zeige die Regierung „nicht den politischen Willen“, die Hochschulen in ihren Aufgaben zu unterstützen, sagte Kaiser. Spitzenvertreter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, der Pädagogischen und Musik-Hochschulen sowie der Kliniken äußerten sich ähnlich.

Ende 2020 läuft der Hochschulfinanzierungsvertrag nach sechs Jahren aus. Bis Ende 2019 sollte eigentlich eine Anschlussregelung unter Dach und Fach sein.

Die Hochschulrektoren klagen, dass das Land ihnen seit Jahren einen enormen Aufwuchs an Studienplätzen und Aufgaben abverlangt habe, ohne das dauerhaft zu finanzieren. Stattdessen stünden den Universitäten heute inflationsbereinigt pro Studienplatz 3000 Euro weniger zur Verfügung als 1998, den Hochschulen 1000 Euro weniger als 2007. Eitel: „Dass das zu Abbau, Rückbau und dramatischen Qualitätsverlusten führen muss, das liegt doch auf der Hand.“

„Steueraufkommen nutzen“

Die Rektoren fordern nun im Jahr mindestens 1000 Euro mehr pro Student. Die bisher temporären Ausbauprogramme sollen dauerhaft in die Grundausstattung fließen. Die Etats sollen außerdem jährlich um 3?Prozent dynamisiert werden. Das Geld aus dem Hochschulpakt des Bundes soll vollständig in die Grundfinanzierung fließen.

Insgesamt kommen die Rektoren so auf einen Zusatzbedarf von 450?Millionen Euro im Jahr. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) habe allerdings für 2021 nur einen Bedarf von 100 Millionen Euro angemeldet. „Wir sind erheblich alarmiert“, sagte Eitel. Nicht nur Kaiser drohte: „Sollte es dabei bleiben, dass das Land nur etwa ein Fünftel dessen zur Verfügung stellt, was wir zusätzlich benötigen, können wir einen solchen Hochschulfinanzierungsvertrag nicht mit verantworten.“

Ohne Vertrag müsste der Landtag von Haushalt zu Haushalt über die Hochschulmittel entscheiden. In solch einem Fall hätten die Rektoren weniger Planungssicherheit, sähen sich aber auch nicht mehr an Zusagen bezüglich der Anzahl von Studienplätzen gebunden.

Die Forderung der Rektoren übersteigt die Spielräume im nächsten Landes-Etat wohl selbst dann, wenn alle anderen Ministerien verzichten. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wurde das in der Haushalts-Strukturkommission kritisch angemerkt. In der Pressekonferenz gaben die Rektoren zu bedenken, dass das Fachpersonal, das andere politische Ressorts beantragt hätten, erst einmal ausgebildet werden müsse. Das Steueraufkommen sei noch nie so hoch gewesen wie aktuell, sagt Eitel. Wer diesen Spielraum nicht auch in Wissenschaft, Forschung oder die Ausbildung von Lehrern investiere, rühre an die Zukunftsfähigkeit des Landes.

Wissenschaftsministerin Bauer erwiderte, die Forderungen der Hochschulen seien im Grundsatz berechtigt. „Gleichwohl sind wir natürlich in die Haushaltsdisziplin des Landes eingebunden. Selbst wenn wir nicht alle Wünsche der Hochschulen vollumfänglich abdecken können, stehen wir dafür ein, dass ein verlässliches Wachstum der Grundfinanzierung die notwendigen Bedarfe abdeckt und Handlungsspielräume für die nächsten Jahre sichert.“ Die konkreten Zahlen kommentierte sie nicht.

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Erstellt:
28.08.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 38sec
zuletzt aktualisiert: 28.08.2019, 06:00 Uhr

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