Nachruf · Karl Weingärtner

Kämpfer für die Demokratie

SPD-Urgestein Karl Weingärtner ist kurz vor seinem 87. Geburtstag gestorben.

10.01.2019

Von Uschi Kurz

Karl Weingärtner. Archivbild: Haas

Karl Weingärtner. Archivbild: Haas

Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Prof. Karl Weingärtner ist tot. Er starb am 6. Januar im Krankenhaus an den Folgen eines Sturzes. Weingärtner wäre am kommenden Samstag 87 Jahre alt geworden.

Der gebürtige Heilbronner war ein Urgestein der Sozialdemokraten: Er war 52 Jahre Mitglied der SPD; 24 Jahre saß er im Reutlinger Gemeinderat, 13 Jahre im Reutlinger Kreistag und 12 Jahre lang im Stuttgarter Landtag. Weingärtner, der Geschichte studiert hat, war 30 Jahre lang Professor, sechs Jahre leitete er die Pädagogische Hochschule in Reutlingen. Ehrenamtlich engagierte er sich unter anderem beim Freundeskreis der Württembergischen Philharmonie und in der Arbeiterwohlfahrt.

Der ehemalige TAGBLATT-Redakteur Bernd Ulrich Steinhilber initiierte im Mai 2013 anlässlich der 150-Jahrfeiern der SPD eine Begegnung zwischen Weingärtner, seinem Parteifreund Peter Mürdter und der jungen SPD-Gemeinderätin Silke Bayer. Zum Gespräch im Oferdinger Haus von Weingärtner brachte sie eine rote Nelke mit. Und Karl Weingärtner (unser Bild) freute sich riesig, dass er Bayer endlich kennenlernte. Steinhilber schrieb damals: „Karl Weingärtner, aus einem Arbeiterhaushalt stammend, hat 1945 als 13-Jähriger erfahren, dass sein Vater ein radikaler Linker war. Gehört hat er es von einem Freund des Vaters, der aus Dachau kam. Und erfahren hat er auch, dass sein Vater eine ganze Schubkarre voll mit Werken von Marx und anderen Sozialisten in einen Bach geschüttet hat – ‚weil es so riskant war, diese Literatur zu besitzen‘“.

Auch andere Eindrücke waren Weingärtner immer noch präsent: die Leute, die aus dem Krieg zurück gekommen sind, die völlig kaputte Hitlerjugend: „Das hat mich bewegt und sehr stark politisiert.“

Historische Erfahrungen waren es, weshalb Weingärtner Sozialdemokrat wurde und sich als solcher immer der „Roten Fraktion“ zugehörig fühlte. Und er kannte keine Berührungsängste. Als die der Links-Partei nahestehende Rosa Luxemburg Stiftung 2008 zur Gründung eines Rosa-Luxemburg-Clubs in die Gaststätte „Waldesslust“ lud, hielt er einen Vortrag über Rosa Luxemburg, der um den Satz aus Luxemburgs Manuskript zur Russischen Revolution kreiste: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ SPD-Fraktionschef Helmut Treutlein spricht von Weingärtner als unermüdlichem Kämpfer für die Demokratie. Die Demokratie brauche Demokraten, „die sie zu verteidigen wissen“, habe er immer gesagt.

Weingärtners Leidenschaft aber war die Kultur. Im Landtag war er kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er setzte sich für die finanzielle Absicherung der Württembergischen Philharmonie ein und für eine Förderung der soziokulturellen Zentren. Weingärtner sprach das Wort Kultur immer französisch aus: „Culture“, weshalb er von manchen Journalisten bisweilen „Monsieur Culture“ genannt wurde. Und das war durchaus liebevoll gemeint.

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Erstellt:
10.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 10.01.2019, 01:00 Uhr

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