Was schafft eigentlich...

Berthold Hallmaier?

Berthold Hallmaier wurde vor neun Jahren, 2013, als Mannschaftsarzt der Deutschen Handball-Nationalmannschaft ersetzt. Unglaubliche 29 Jahre lang war der 74-jährige Rottenburger für Team und Verband tätig, er nahm an sage und schreibe fünf Olympischen Spielen teil.

16.12.2022

Von Werner Bauknecht

Bild: Uli Rippmann

Bild: Uli Rippmann

Und er wurde zusammen mit dem Team Europameister und 2007 sogar Handball-Weltmeister. Ein absoluter Household-Name, und zwar bundesweit, wurde vor allem in Sportlerkreisen die Winghofer Klinik, wie sie ganz allgemein genannt wird. Inzwischen heißt es Winghofer Medicum und besteht aus Klinik und Praxis. Einer der Gründer: Berthold Hallmaier. Arzt und Chirurg. Die chirurgische Praxis ist immer noch Anlaufpunkt für viele Patienten mit Beschwerden am Bewegungsapparat. Aber Hallmaier übergab die Geschäftsführung an seine Nachfolger.

Und jetzt – nicht mehr im Dienst des Deutschen Handballbundes und auch nicht mehr tätig als Arzt in der eigenen Klinik? „Ich gebe zu“, sagt Hallmaier lachend, „es war am Anfang nicht leicht, einen eigenen, einen neuen Lebensrhythmus zu finden.“ Er war es gewohnt, täglich um sechs Uhr aufzustehen, „aber inzwischen genieße ich es, auch mal länger liegen zu bleiben.“ Es ist aber nicht so, als habe der Mann sich völlig aus dem Sport oder der Medizin zurückgezogen. Er habe immer noch viel Kontakt zu Spielern und Spielerberatern. Denen gebe er gerne Tipps, wenn man ihn frage, aber das sei jetzt eher „unverbindlich“, weil er ja nicht in der Verantwortung stehe. „Man kann meinen Rat annehmen – oder auch nicht“, sagt er dazu.

Manche werden sich erinnern, wie der Teamarzt bei der Nationalmannschaft mitfieberte, wie er am Spielfeldrand stand und die Mannschaft unterstützte. Beim Gespräch wirkt er mittlerweile entspannt, er lacht viel. Und er kann viel erzählen. Zu einem Buch würden all die Erzählungen und Geschichten, die Hallmaier über die vergangenen 30 Jahre erzählen könnte, locker reichen. Doch das käme ihm nicht in den Sinn. „Ich war lange genug in der Öffentlichkeit“, winkt er ab, „da will ich nicht mehr hin.“ Aber nicht nur zu seinen Kollegen und Freunden vom Clinicum, Helmut Röhner und Wolfgang Frank, hat er noch beste Kontakte. Vor allem aber pflegt er die freundschaftlichen Kontakte im Handballbereich. Und da fallen einem gleich die „Allstars“ ein. Mit denen ist etwa 10 bis 12 Mal im Jahr im Einsatz für den guten Zwecke. Da spielen ehemalige Handball-Raketen wie Henning Fritz, Marc Nagel, Markus Bauer, „Blacky“ Schwarz oder Ikone Heiner Brand gegen Teams wie HSG Ettlingen oder die TSG Siegen. Die Gage geht an verschiedene soziale Einrichtungen.

Ein Highlight für Hallmaier war der Besuch bei RTL in Köln. Denn dahin hatte ihn Ex-Weltmeister Pascal Hens gemeinsam mit den Fußballtrainern Sandro Schwarz (Hertha BSC) und Marco Rose (RB Leipzig) eingeladen: Hens stand im Finale von „Let’s dance“ – und das gewann er auch noch mit seiner Tanzpartnerin Ekaterina Leonova. „Wir hatten derart viel Spaß zusammen“, schwärmt der Rottenburger, „und haben so viel gelacht auch bei der Feier nach dem Finale – einfach toll.“ Dazu kommt, dass er auch seinen Sohn besuchen konnte, der als Cutter bei RTL arbeitet.

Verfolgt er denn das Handballgeschehen noch so intensiv wie früher? Ja, meinte Hallmaier, das interessiere ihn natürlich immer noch. Er sieht auch die Veränderungen, die das Spiel in den letzten Jahren genommen hat. Früher habe man mit taktischen Veränderungen noch ein Spiel gewinnen können, heute dominiere die Kraft und das Spiel 1:1. „Die Spieler haben ihre Lebensweise völlig auf den Sport abgestellt, der Gesundheitsaspekt und die Ernährung sind ganz im Mittelpunkt.“

Für den ehemaligen Teamarzt bleiben Beziehungen und Freundschaften auch über den Sport erhalten. So pflegt er diese zum Beispiel mit dem ehemaligen Kultstar Stefan Kretschmar, bei dessen Hochzeit er war, oder mit Klaus Eder, 30 Jahre Physiotherapeut der Deutschen Nationalmannschaft im Fußball. Dick befreundet ist er vor allem mit Markus Bauer, Weltmeister von 2007.

Es macht Freude, Hallmaier zuzuhören, wenn er selbst Erlebtes berichtet. Seine Lieblings-olympischen-Spiele waren die in Barcelona. „Da hat eine ganze Stadt Olympia gelebt.“ Und er konnte dort das legendäre Dream-Team der US-Basketballer live erleben: Michael Jordan, Karl Malone, Magic Johnson, Charles Barkley – „so ein Team gab es nie mehr auf der Welt.“

Am meisten am Herzen liegt Hallmaier aber inzwischen die Malerei. Gemalt habe er schon früher, aber jetzt habe er die Zeit dazu. Für ihn, den immer schon frankophilen, ist dafür Frankreich der Rückzugsort. Dort haben sie ein Haus, dort hat er Künstlerfreunde, dort hat er Zeit und Inspiration. Besonders mit dem Bildhauer Tiziano arbeitet er oft zusammen in Mougins bei Nizza, dem langjährigen Wohnort Picassos. Mit ihm könne er auch experimentieren. So haben sie eine Bronzeskulptur geschweißt statt gegossen, „etwas wie Giacometti, aber mit Schweißnähten“, erklärt er lachend. Er selbst liebt Pop-Art, malt auch in dem Stil. „Es ist toll, wenn man ein Gespräch im Fernsehen mit Heiner Brand sieht, und im Hintergrund hängt ein Bild von mir an der Wand in Brands Wohnzimmer“, sagt Hallmaier. Einmal, vor mehr als 20 Jahren, hatte er sogar eine Ausstellung in der Rottenburger Kreissparkasse. „Aber das mache ich nicht mehr“, stellt er rigoros klar. Und dann arbeitet der Rastlose auch noch als geschäftsführender Gesellschafter bei der CHC – Complete House Company in Rottenburg. Deren Geschäft: Partner bei allen Belangen rund um Immobilien. Aber bei Hallmaier geht irgendwie nichts ohne Handball: Das Unternehmen sponsert die Handball-Allstars „für den guten Zweck.“ Da lächelt der Mann. „Man kann halt nicht aus seiner eigenen Haut“, sagt er.