Tennis

Unbeschwert vor dem Debüt beim DTB

Jens Gerlach übernimmt als Nachfolger von Barbara Rittner das Amt des Fed-Cup-Kapitäns. Vom No Name soll er zum Versteher der deutschen Damen aufsteigen.

20.09.2017

Von HELEN WEIBLE

Mit seinem unaufdringlichen Charme will Jens Gerlach als Trainer der deutschen Fed-Cup-Damen punkten. Foto: dpa

Mit seinem unaufdringlichen Charme will Jens Gerlach als Trainer der deutschen Fed-Cup-Damen punkten. Foto: dpa

Mehr als ein imposanter Rahmen für die Vorstellung des neuen Fed-Cup-Teamchefs Jens Gerlach. Die Landeshauptstadt stellte den Großen Sitzungssaal im dritten Obergeschoss des Rathauses zur Verfügung, im Hintergrund das schicke Emblem des „Stuttgarter Rössle“, Platz genug für 100 Pressevertreter, aber der Saal war natürlich längst nicht vollbesetzt.

Anfänglich dann der Kontrast: Jens Gerlach, bis dato Trainer, Vergnügungswart, Platzwart und Frauenreferent beim TC Schwangau, wirkte unscheinbar, bescheiden und ein wenig unsicher. Im Laufe der Fragerunde taute er aber auf. Fremd war zunächst nur die Situation des gesteigerten Interesses an seiner Person, nicht aber der Ort. Schließlich ist es ein Heimspiel für den gebürtigen Stuttgarter, der einst hier für Zweitligist Geroksruhe aufgeschlagen hat. Als „exzellenten, sehr erfahrenen Trainer“ moderierte ihn DTB-Präsident Ulrich Klaus an und war sich genauso wie die nun abgelöste Barbara Rittner sicher, dass er ihre 13-jährige, erfolgreiche Tätigkeit genau so zufriedenstellend fortführen wird.

Alte Bekanntschaft

„Wir haben eine starke Mannschaft. Ich freue mich auf diese spannende Herausforderung“, sagte der 44-Jährige, der noch nie für den Deutschen Tennis-Bund (DTB) gearbeitet hat und deshalb umso „unbelasteter“ an die Sache herangeht. Für eine Optimallösung hält ihn vor allem Rittner, die den Wahl-Allgäuer ganz oben auf der Liste ihrer potentiellen Nachfolger hatte. „Ich kenne ihn schon viele Jahre. Ich habe von den englischen und schweizerischen Verbänden gehört, wie zufrieden sie mit seiner Arbeit waren“, erklärte seine Jahrgängerin. „Ich war froh, dass ich ihn gleich angerufen habe, sonst wäre er weg gewesen.“ Offenbar hätten Gerlach immer wieder Anfragen erreicht, was diverse Trainer-Jobs angingen. „Das war zwar eine Option“, sagte Gerlach dazu, „aber Trainer der deutschen Tennis-Damen zu sein, das ist eine Aufgabe, die mich im Augenblick besonders reizt.“

Letztlich nimmt der neue Kapitän der als „Head of Women's Tennis“ tätigen Wahl-Stuttgarterin Rittner eine Aufgabe ab: die Zusammenstellung und Führung der Mannschaft um die Spitzenspielerin Angelique Kerber. Hierbei startet Gerlach komplett bei Null. „Ich habe noch keinen Kontakt zu den Spielerinnen gehabt, damit werde ich nun beginnen. In den nächsten Monaten geht es darum, Verbindungen zu ihrem jeweiligen Umfeld aufzubauen“, erklärte Gerlach. Ein langer Kennenlernprozess also, der bis in den Januar hinein dauert. Im Frühjahr macht sich Gerlach mit Rittner auf nach Melbourne zu den Australian Open. Sein erster Einsatz steht ihm am 10./11. Februar bevor. Mit welchem Gegner sein Team zu tun hat, wird heute ausgelost. In Frage kommen Weißrussland, USA, Tschechien und Frankreich.

Ständiger Austausch mit Rittner

In jedem Falle harte Brocken für die deutschen Tennis-Damen. Doch das liegt noch in weiter Ferne für Gerlach. In seinen grünen Augen spiegelt sich eine neugierige Naivität wieder, was den Schwierigkeitsgrad des Amtes betrifft. Er lasse es zunächst einfach auf sich zukommen. Vor jeder Fed-Cup-Partie geht es darum, viele Charaktere, die in ihrem Tourprogramm stecken, innerhalb kurzer Zeit unter einen zu Hut bringen. Da habe er keine Sorge: „Die eine wird sich mehr mit mir austauschen wollen, die andere weniger“, sagt er. Der Umgang mit Ladies, die ihre eigenen Vorstellungen haben, scheint er nicht zu fürchten. Gerade von der Arbeit mit der ehemaligen French-Opensiegerin Anastasia Myskina kann Gerlach profitieren. Denn auch die Russin war nicht immer leicht zu handeln. „Sie konnte ein richtiges Sturköpfchen sein“, erinnert Rittner.

Wenn sich also Rittner um die Nachwuchsförderung am Stützpunkt in Stuttgart kümmern wird, muss sich Gerlach schnellstmöglich einarbeiten. Rittner wolle sich aus „sportlichen Entscheidungen“ heraushalten, aber „jederzeit zur Seite stehen, wenn er Ratschläge braucht“. Gerade in der Einschätzung der Stärken, Schwächen und Führungsqualitäten von Kerber, Julia Görges, Andrea Petkovic oder Carina Witthöft, hilft eigentlich nur jahrelange Erfahrung.