Artenschutz: Guck mal, was da krabbelt

Umweltminister Franz Untersteller gibt allein fürs „Monitoring“ bis 2019 fünf Millionen Euro aus

Das Gefälle ist frappierend: Satte 2000 Insekten fanden Fachleute jüngst bei einer standardisierten Kurz-Suche auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke direkt unter dem Ruchberg hinter dem Albtrauf über Talheim. 2000 Exemplare, darunter viele seltene.

30.08.2018

Von Eike Freese

Im Hintergrund beinahe insektenfreie Äcker: Umweltminister Franz Untersteller (Mitte) stellte gestern am Ruchberg mit LUBW-Chefin Eva Bell das Landes-Programm zum Insekten-Monitoring vor (links Sonnenbühls Bürgermeister-Vize Jürgen Scheible). Bilder: Faden

Im Hintergrund beinahe insektenfreie Äcker: Umweltminister Franz Untersteller (Mitte) stellte gestern am Ruchberg mit LUBW-Chefin Eva Bell das Landes-Programm zum Insekten-Monitoring vor (links Sonnenbühls Bürgermeister-Vize Jürgen Scheible). Bilder: Faden

Wenige Meter weiter unten, auf einer anderen, gleich langen Strecke, waren es nur noch 364 Tierchen. Der Unterschied: Der Ruchberg selbst ist ein Naturschutzgebiet – während wenige Meter darunter bereits die Äcker der Landwirte beginnen.

Handeln, zählen, wieder handeln

„Gewiss ist die Art der Landwirtschaft ein Faktor beim Insektensterben. Wir können aber unsere Artenschutzpolitik nur mit und nicht gegen die Landwirte betreiben“: Das sagt Umweltminister Franz Untersteller, der gestern ein Programm zum Insekten-Monitoring vorstellte, das sein Ministerium gerade auf den Weg bringt. Untersteller stand medienwirksam am Treffpunkt dreier Landkreise zwischen Talheim, Melchingen und Willmandingen. Fünf Millionen Euro will die Landesregierung 2018/19 in die Bestandsaufnahme der Sechsbeiner stecken: Fachleute gehen nach strengen Regeln über rund 190 repräsentativ ausgewählte Flächen im Land und zählen, wie sich die Masse der Krabbeltiere entwickelt.

Strebt nach Höherem: Schwalbenschwanz-Raupe.

Strebt nach Höherem: Schwalbenschwanz-Raupe.

„Das Monitoring allein ist nicht zu unterschätzen“, sagt Untersteller: Zunächst zeigt es Fachleuten Art, Ort und Ausmaß des Insektensterbens (oder -lebens). Sie können dann passgenauer Schutzmaßnahmen entwickeln und angehen. Sie können später genau überprüfen, ob diese Maßnahmen auch etwas bringen. Sie merken schnell, wenn sich irgendwo in der Natur etwas verändert. Auch dort, wo der Mensch bewusst gar nichts verändert hat. Und sie können Beiträge zur Grundlagenforschung liefern.

Das aktuelle Konzept zum Monitoring fällt derzeit vermutlich auf fruchtbaren Boden, denn das so genannte „Insektensterben“ wird auch weit jenseits der grünen Kernklientel als großes Problem erkannt. „Das hilft uns natürlich“, sagt Eva Bell, Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Freiburg. „Die Leute wollen, dass die Politik etwas gegen das Insektensterben unternimmt.“ Abseits des kategorischen Artenschutzes gebe es zahlreiche Argumente für den Schutz der Sechsbeiner, so Bell. So sind sie etwa wichtiger Bestandteil der Nahrungskette und weniger Insekten bedeuteten vielerorts etwa weniger Vögel. Sie sorgten für Fruchtbarkeit der Böden, Bestäubung von Pflanzen und nicht zuletzt würden sie vom Menschen auch als Bestandteil der Lebensqualität wahrgenommen, so Bell. Ihre Landesanstalt organisiert das Monitoring – und sie tut das bewusst mit Profis. Deshalb auch die Kosten. „Nur mit Ehrenamtlichen kämen wir nicht weiter, wenn wir belastbare Ergebnisse wollen“, sagt Florian Theves von der LUBW. Je nach Arten, je nach Wetter, je nach Lage der untersuchten kostet das Zählen viel Zeit und Expertise. „Ich weiß gar nicht, warum wir die Frage stellen“, ergänzt Untersteller: „Warum soll ausgerechnet im Naturschutz immer alles von Ehrenamtlichen geleistet werden?“

Einfach beobachten – das geht nicht

In sechs Gruppen teilen die Fachleute die Tiere für ihr Monitoring ein: Tagfalter und Heuschrecken werden händisch und akustisch auf Standard-Strecken gesucht, Nachtfalter per Lichtfang, Fluginsekten per „Malaise“Falle, Laufkäfer und weitere Krabbler per Bodenfalle. Die 190 Flächen im Land sind überwiegend Wiesen und Äcker: „Wir untersuchen den Normalfall“, so LUBW-Chefin Bell.

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Erstellt:
30.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 30.08.2018, 01:00 Uhr

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