Partys für mehr Privatsphäre

Ulrich Boesenecker und Samuel Greiner veranstalten regelmäßig Kryptopartys

Der Rottenburger Internist Ulrich Boesenecker organisiert sogenannte Kryptopartys. Zusammen mit dem Studenten Samuel Greiner zeigt er in kostenfreien Seminaren, wie die Privatsphäre im Internet geschützt werden kann.

04.12.2015

Von Andreas Straub

Ulrich Boesenecker (rechts im Bild) organisiert zusammen mit dem Studenten Samuel Greiner regelmäßig Kryptopartys, lockere Seminare, auf denen es um die Wahrung der Privatsphäre im Netz geht. Bild: Straub

Ulrich Boesenecker (rechts im Bild) organisiert zusammen mit dem Studenten Samuel Greiner regelmäßig Kryptopartys, lockere Seminare, auf denen es um die Wahrung der Privatsphäre im Netz geht. Bild: Straub

Rottenburg. Am Anfang war die Empörung. Staunen und Wut über schier grenzenlose Überwachung, die spätestens seit Edward Snowdens Enthüllungen keine Verschwörungstheorie mehr ist, sondern Realität. Wenn Ulrich Boesenecker und Samuel Greiner über Privatsphäre im Internet und Überwachung nicht nur durch die NSA sprechen, sind sie in ihrem Element. Das ungewöhnliche Duo eint ein Ziel: Der Schutz der privaten Kommunikation im Internet. Und dafür veranstalten sie Kryptopartys in Tübingen.

Boesenecker praktiziert seit 1993 in einer Praxisgemeinschaft in Rottenburg als Internist. Sein Kompagnon Samuel Greiner ist gerade 23 Jahre jung und hält einen Bachelor in Physik und studiert in Tübingen auf Lehramt. „Nach den Snowden-Enthüllungen im Juni 2013 ging es mir zunächst um die Verschlüsselung meiner eigenen E-Mails“, erklärt Boesenecker. Er habe auch einen Anbieter gefunden, der gegen ein kleines Entgelt gute Datenschutzstandards bei der Übermittlung von verschlüsselten und unverschlüsselten E-Mails anbietet. Allerdings funktioniert eine End-Zu End-Verschlüsselung nur, wenn sowohl Sender als auch Empfänger sie benutzen. Für ihn selbst und innerhalb der Familie war Einrichten von Verschlüsselung und Provider-Wechsel noch umsetzbar. Bei Freunden, Bekannten und Arztkollegen sei er aber zunächst auf nur sehr vereinzelte Bereitschaft gestoßen, sich mit der für viele so schwierig scheinenden Problematik auseinanderzusetzen, sagt Boesenecker. Auch fehlten ihm die Kenntnisse und der Rahmen, um auf fremden Rechnern Hilfe zu leisten.

Über eine Suche im Internet stieß er auf Samuel Greiner. „Ich war schon immer techno-affin“, sagt Greiner. Edward Snowden habe ihn aufgerüttelt. An der Uni Konstanz, wo er zur Zeit der ersten Enthüllungen in der Studierendenvertretung aktiv war, bot er daraufhin eine Veranstaltungsreihe für mehr Privatsphäre im Internet an. Ein Gastvortrag bei den Jungen Grünen führte ihn in seine Heimatstadt Tübingen.

Sowohl Greiner als auch Boesenecker sind, wie sie selbst sagen, politisch motiviert. „Wir kritisieren den deutschen Staat, der Überwachung zulässt“, sagt Greiner. Beispielsweise sei er ein strikter Gegner der Vorratsdatenspeicherung.

Im Schnitt sind 30 Leute bei den Seminaren

In Boesenecker und Greiner reifte der Gedanke, gemeinsam etwas zu unternehmen und so beschlossen sie, sogenannte Kryptopartys anzubieten. Der Begriff ist in der Szene etabliert und bezieht sich in erster Linie auf den informellen Rahmen. Seminarleiter und Teilnehmer kommen locker ins Gespräch, es bleibt Raum für Fragen und Diskussionen. Musik gibt es keine, ein wenig Bewirtung schon. Vor einem Jahr stieg die erste Kryptoparty im Evangelischen Gemeindehaus Lamm am Tübinger Marktplatz. Weitere folgten, die nächste wird es wohl im Januar dort geben, ein genauer Termin steht noch nicht fest.

„Es ist uns einfach ein Bedürfnis. Recht auf Privatsphäre ist ein Grundrecht“, erklären beide ihre Motivation. Daher verlangen sie für das Seminar auch keine Gebühren. Sie sammeln lediglich Spenden, die sie der Stiftung für Pressefreiheit zukommen lassen. Boesenecker bezahlt privat für den materiellen Einsatz, doch der sei gering im Vergleich zur aufgewendeten Zeit. Mit etwa 30 Teilnehmern im Schnitt ist das Interesse beachtlich.

Bei den Partys sind Leute zwischen 20 und 78 Jahren, Frauen und Männer zu etwa gleichen Teilen dabei. Etwa ein Viertel kommt regelmäßig. Nach einem etwa einstündigen Vortrag, gibt es ein paar Praxisübungen. Auf den mitgebrachten Geräten können die Teilnehmer Sicherheitssoftware installieren. „Samuel hat großes didaktisches Talent“, lobt Boesenecker seinen Kompagnon.

Erklärtes Ziel der Tübinger Kryptopartys ist es, die Gefahren im Internet, aber auch Lösungsmöglichkeiten für den normalen Nutzer verständlich zu machen. Daher werden die gängigen Anwendungen besprochen, zum Beispiel Surfen im Internet, E-Mails und soziale Netzwerke. Auch für Smartphones werden einige Tricks gezeigt, wie sich die Privatsphäre besser schützen lässt.

info Weitere Informationen auch zum nächsten Termin gibt es unter: www.cryptoparty-tuebingen.de.