Filmtage

Übergriffe bei den Orthodoxen

Sexueller Missbrauch existiert in allen Religionen, in allen Kulturen, sagt die Dokumentarfilmerin Yolande Zauberman.

06.11.2018

Von Dorothee Hermann

Sie gilt als Frau für Tabuthemen. Ihre aktuelle Doku „M“ führt ins streng abgeschlossene Milieu orthodoxer Juden ganz in der Nähe von Israels Multi-Kulti-Stadt Tel Aviv. Am Sonntag präsentierte Yolande Zauberman im Tübinger Kino Atelier ihren Film bei den Französischen Filmtagen. Im Mittelpunkt steht der 35-jährige Menahem Lang, der in einer streng orthodoxen jüdischen Gemeinde aufwuchs und nach eigener Aussage von drei Rabbinern missbraucht wurde, zum ersten Mal als Siebenjähriger, möglicherweise aber bereits im Alter von vier Jahren. Lang sagt von sich, er spreche auch für hundert andere Kinder. Im Film redet er fast ausschließlich Jiddisch, außer er benennt „the raper“ (den Vergewaltiger). Dann wechselt er jedes Mal ins Englische.

„Er wollte diesen Film unbedingt machen“, sagte die Regisseurin im Gespräch mit der Tübinger Journalistin Marianne Mösle. „Trotz Gewalt und Zurückweisung hat er sich in seinem Viertel wohlgefühlt. Er war dort zuhause.“

Die zahlreichen Schwarzbilder symbolisierten einerseits die Sphäre des Verborgenen, Geheimgehaltenen, in die sich der Film begibt. Andererseits bemerkte Zauberman: „Es war einfacher, in der Nacht zu drehen. Da redet man
offener.“

Opfer sexualisierter Gewalt verbinde die Furcht, die eigene Beschädigung zu reproduzieren, sagte die Regisseurin. „Deshalb wollen sie es geheimhalten, nicht darüber sprechen. Sie haben alle Angst, dass sie das, was ihnen passiert ist, anderen Kindern antun werden.“ Deshalb habe sie sich den Film auch als Vampirfilm vorgestellt. Auch Scham sei Ursache für dieses Schweigen und Verschweigen. „Auch weil man vielleicht Vergnügen empfunden hat?“ Ihr Blick auf das Milieu der Orthodoxen zeigt ausschließlich Männer, als Täter wie als Opfer.

Zauberman sieht sexuelle Übergriffe als „eine Krankheit unserer Zeit“ und eine Hauptursache für den ganzen Hass in der Welt. „Viele Vergewaltiger sagen: Ich verdiene den Tod. Es gibt keine glücklichen Vergewaltiger.“ Sie möchte den Teufelskreis der Weitergabe von Gewalterfahrungen durchbrechen und „eine neue Ethik“ initiieren.

Aus dem Französischen

dolmetschte Andrea Le Lan.

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Erstellt:
06.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 06.11.2018, 01:00 Uhr

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