Hochwasser im Westen Deutschlands

Tübinger Hilfe im Krisengebiet mit verschiedenen Aufgaben

Aus Tübingen helfen das THW, die Stadtwerke und die Gartenbaufirma Heim vor Ort mit, um die Hochwasserkatastrophe und ihre Folgen im Westen Deutschlands zu bewältigen.

20.07.2021

Von Andreas Straub

In Ahrweiler ist nichts mehr wie es war. Bild: Gartenbau Heim

In Ahrweiler ist nichts mehr wie es war. Bild: Gartenbau Heim

Am Montagnachmittag gab das Gesundheitsamt in Ahrweiler grünes Licht: Das vom Technischen Hilfswerk (THW) Tübingen aufbereitete Trinkwasser kann verwendet werden, die Qualität ist gut. Vor Ort ist die Trinkwasserversorgung zerstört. Bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag machten sich acht Freiwillige auf den Weg ins Krisengebiet. Anderthalb Stunden nach der Alarmierung – die Taschen waren bereits gepackt, die Gerätschaften vorbereitet – fuhren sie los.

Zusammen mit dem ebenfalls auf Trinkwasseraufbereitung spezialisierten THW aus Rothenburg ob der Tauber brachten die Helfer vom THW jeweils 18 Tonnen an Material vor das Krankenhaus Ahrweiler. „Zuerst galt es, überhaupt einen Platz für unsere Anlage zu finden“, berichtet Zugführer Thilo Hämmerle, der sich selbst als Reservist und Einsatzleiter in Tübingen befindet. „Unseren Helfern bot sich ein Bild der Zerstörung.“ Die erste Nacht verbrachten die Tübinger im Auto, seither seien sie „komfortabel“ in der Klinik untergebracht. Brücken waren nicht befahrbar, Massen von Schlamm mussten entfernt werden und ein fester Untergrund für die Wasseraufbereitungsanlage mit Schotter aufgeschüttet werden. Ziel: Die überflutete und evakuierte Klinik sowie die Umgebung mit sauberem Wasser versorgen.

30000 Liter pro Stunde

Pro Stunde kann die Aufbereitungsanlage 30 000 Liter produzieren, hinzu kommt ein Lager in Form von Wasserblasen für 45 000 Liter. Seit Samstag ist sie in Betrieb. Zunächst wurde das Wasser zum Reinigen benutzt, seit Montag kann es als Trinkwasser verwendet werden. Von der Abgabestelle, einem großen Wasserbehälter, musste zunächst eine Leitung über die Ahr gelegt werden. In einem mit ins Katastrophengebiet gebrachten Labor wird die Qualität untersucht. Nach Aufbereitung wird ein Teil des Wassers direkt ins Krankenhaus eingespeist, ein anderer in Tankwagen abgefüllt. Einen solchen geländegängigen Lastwagen mit einer Kapazität von 8000 Litern haben die Tübinger mitgebracht. Die Laster bringen das Wasser zu Verteilpunkten. „An diesen kleineren Wasserbehältern können sich die Leute mit Kanistern ihr Trinkwasser abholen“, sagt Hämmerle.

Das Tübinger Technische Hilfswerk (THW) verlegte sofort Rohre für seine Pumpen. Bild: THW

Das Tübinger Technische Hilfswerk (THW) verlegte sofort Rohre für seine Pumpen. Bild: THW

Die acht Freiwilligen in Ahrweiler sind von ihren Arbeitgebern freigestellt. Das THW Tübingen geht momentan von einem längeren Einsatz aus. „Wir rechnen mit Monaten, können aber aktuell nicht sagen, wie lange es geht“, sagt Hämmerle. Im vergangenen Jahr rückte das THW zweimal zu Einsätzen nach Brunnenausfällen in der Nähe von Pforzheim und in Radolfzell aus, die dauerten aber nur ein bis zwei Wochen.

Die Ehrenamtlichen sind in Schichten eingeteilt. Jeden Samstag soll getauscht werden. Denn täglich gilt es, Tag- wie Nachtschichten mit Führungskräften, Maschinisten, Laboranten und Helfern zu besetzen. „Wir brauchen einen langen Atem“, so Hämmerle. Rettungshunde seien aus Tübingen nicht angefordert worden. „Unsere Freiwilligen sind beeindruckt, wie sehr sich die Zivilbevölkerung gegenseitig hilft“, sagt Hämmerle. Beispielsweise seien viele Landwirte aus der Umgebung mit Traktoren vor Ort.

Auch eine Tübinger Gartenbaufirma ist gesichtet worden. Es ist die Firma Heim aus Bühl. „Mein Mann Dennis ist am Samstag mit fünf Mitarbeitern und großen Maschinen ins Krisengebiet nach Ahrweiler gefahren“, berichtet Büroleiterin Kristina Heim. Dort halfen sie beim Aufräumen, unterstützten aber auch die Polizei bei der Suche nach Vermissten und Toten. „Es sind zwar viele Leute zum Helfen da, aber wenige große Maschinen, um wirklich etwas zu bewegen“, sagt Heim. Deshalb seien die Helfer aus Bühl mit ihrem Bagger mit Greifer „sehnsüchtig“ erwartet worden. „Mein Mann und unsere Mitarbeiter sind erschüttert über die verheerende Lage vor Ort“, sagt Heim. „Es ist unorganisiert, obwohl gerade Geräte wie Bagger dringend gebraucht werden.“ Ohne richtige „Anforderung“ seien sie ins Katastrophengebiet gefahren.

Niemand übernimmt bislang den Sprit

Einen direkten Bezug hat die Familie nicht. „Für uns war klar, dass man etwas tun muss“, sagt Heim. Umso mehr sei sie deshalb enttäuscht vom Krisenmanagement. „Vor Ort machen alle, was sie können, aber von oben kommt nichts“, so Heim. Noch gebe es keine Signale von Bund oder Land, dass Firmen wie jene aus Bühl zumindest einen Teil ihrer Kosten – etwa für den Sprit – erstattet bekommen. Einige Tage zu helfen sei „eine Spende“, längerfristig sei das aber wirtschaftlich nicht zu stemmen. Dann bleibe nur die Rückreise. Andere Unternehmen machen es offenbar ähnlich.

Die Firma Heim aus Tübingen fuhr mit schwerem Gerat ins benachbarte Bundesland Rheinland-Pfalz – es kam dort sofort zum Einsatz. Bild: Gartenbau Heim

Die Firma Heim aus Tübingen fuhr mit schwerem Gerat ins benachbarte Bundesland Rheinland-Pfalz – es kam dort sofort zum Einsatz. Bild: Gartenbau Heim

Dennis Heim wollte mit seinem Team am Dienstag zurückkehren, ehe sich am Montagabend um 22 Uhr das Ordnungsamt meldete: Er solle bleiben – also ist er weiterhin vor Ort, drei Mitarbeiter fuhren jedoch am Dienstag wieder nach Hause.

Groß sei hingegen die Dankbarkeit aus der Bevölkerung für die Hilfe. Die Helfer würden mit Essen und Trinken versorgt und unterstützt, so gut es geht. „Ein Mann hat unseren Mitarbeitern eine Prinzenrolle rausgebracht“, berichtet Heim. „Er sagte, dass er gerne mehr geben würde, aber einfach nicht mehr hat.“

Stadtwerke helfen in Trier

Ein Einsatzteam der Stadtwerke Tübingen hilft derweil den Stadtwerken Trier in der Hochwasserkatastrophe. Ein schnellerer Wiederaufbau der Stromversorgung ist das oberste Ziel. Innerhalb weniger Stunden organisierte der Technische Service der Stadtwerke eine mobile Einsatztruppe mit fünf Personen, vier Fahrzeugen, einem Notstromaggregat und zwei Anhängern, die vollgepackt wurden mit mehreren Hundert Sicherungen und weiterem Material. Das THW stellte Feldbetten für den Einsatz .

Einige Gespräche mit den Verantwortlichen bei den Stadtwerken Trier brachten genauere Erkenntnisse darüber, welche Aufgaben am dringlichsten sind und welches Material dafür benötigt wird. In Trier angekommen, startete der Einsatz am Sonntag.

Vor allem bei der Instandsetzung von überschwemmten Hausanschlusskästen inklusive Reinigung, sowie bei der Kabel- und Zählermontage können die Tübinger Techniker wertvolle Unterstützung leisten. Ein Meister leitet darüber hinaus ein Team, das sich darum kümmert, das Niederspannungsnetz wieder in Betrieb zu nehmen.

Auch das Bodelshäuser Modeunternehmen Marc Cain beteiligt sich nun an der Hilfe für die Flutopfer in Ahrweiler: 100.000 Euro macht Marc Cain dafür locker.

Das Technische Hiilfswerk beim Verladen von Hilfsgütern. Bild: THW

Das Technische Hiilfswerk beim Verladen von Hilfsgütern. Bild: THW

Das Tübinger THW und die Firma Heim

Die Firma Heim mit Sitz in Tübingen-Bühl ist ein Unternehmen für Grünanlagenbau in den Regionen Tübingen, Reutlingen, Böblingen, Calw und Zollernalb. Der Garten- und Landschaftsbauer Dennis Heim gründete sie im Jahr 2010 – vorerst als Kleingewerbe. 2014 stellte er erste Mitarbeiter um, ab 2016 fokussierte sich das Unternehmen zunehmende auf Großprojekte in der Region. Das erste war die Gestaltung der Grünanlagen des erweiterten Tübinger Freibads im Jahr 2016.

Beim Technischen Hilfswerk (THW) engagieren sich in 668 Ortsverbänden rund 80000 Helferinnen und Helfer. Der Tübinger THW Ortsverband verfügt über eine Bergungsgruppe, eine Fachgruppe Notversorgung, einen Zugtrupp, einen Trupp für Drohnen sowie Fachgruppen für die Ortung und die Trinkwasserversorgung.

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Erstellt:
20.07.2021, 16:22 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 17sec
zuletzt aktualisiert: 20.07.2021, 16:22 Uhr

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