Washington

Trumps skurriler Abschied

Joe Biden wird als neuer Präsident vereidigt. Sein Vorgänger reist schon Stunden vorher ab nach Florida.

21.01.2021

Von Peter DeThier

US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania verlassen das Weiße Haus. Foto: Mandel Ngan/afp

US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania verlassen das Weiße Haus. Foto: Mandel Ngan/afp

Washington. Mit der linken Hand auf seiner 127 Jahre alte Familienbibel gelobte Joseph Robinette Biden um genau 12 Minuten vor 12 Uhr „nach bestem Wissen und Gewissen die Verfassung der Vereinigten Staaten zu bewahren, schützen und verteidigen“. In Begleitung von Ehefrau Jill, deren himmelblauer Blazer Vertrauen und Stabilität symbolisieren sollte, zog der neue US-Präsident mit seinem Amtseid einen Schlussstrich unter die zermürbende Ära Donald Trumps, die turbulentesten vier Jahre in der jüngeren Geschichte der Nation.

Das spärliche Publikum bestand an diesem kalten, windigen Vormittag in Washington vorwiegend aus Ehrengästen. Neben Senatoren, Abgeordneten und Richtern allen voran die Obamas sowie die Ehepaare Clinton und Bush. Alle lebenden Präsidenten also außer dem 96 Jahre alten Jimmy Carter, der aus gesundheitlichen Gründen zu Hause bleiben musste, und eben Trump, der erneut mit der Tradition brach und seinem Ruf als schlechter Verlierer Nachdruck verlieh. Auffallend auch, dass der ehemalige Vizepräsident Mike Pence Bidens Einladung gefolgt war und der selbst inszenierten Abschiedsfeier seines früheren Chefs demonstrativ fernblieb.

Gäste in Baumwolldecken

Es war jedenfalls eine Inaugurationszeremonie, wie die US-Hauptstadt sie noch nie erlebt hatte. Auf der Ehrentribüne an der Westseite des Kapitols waren Klappstühle in Abständen von zwei Metern aufgestellt worden. Bei nur vier Grad unter bedecktem Himmel legten sich viele des maskierten Gäste blaue Baumwolldecken um, die freiwillige Helfer zuvor verteilt hatten.

Zuvor war die National Mall, jene drei Kilometer lange Grünfläche, die sich vom Lincoln-Denkmal bis zum Fuß des Kapitolhügels erstreckt, mit hohen Stacheldrahtzäunen abgeriegelt worden. Bei jeder anderen Vereidigung hätten dort hunderttausende Menschen einen neuen Präsidenten gefeiert. Wegen Kontaktbeschränkungen infolge der Corona-Pandemie und noch nie dagewesener Sicherheitsvorkehrungen wehten an deren Stelle nun aber 200?000 Sternenbanner in der eisigen Brise.

Vor seinem erlesenen Publikum rief der 46. Präsident dann zur Versöhnung auf. In einer für das tief gespaltene Land wohltuenden Rede fordert er einen Neubeginn und versprach, „ein Präsident für alle Amerikaner zu sein“. Um Hass, Spaltung die historische Pandemie und die Wirtschaftskrise zu überwinden „ist Einheit der einzige Weg, ohne Einheit gibt es keinen Frieden“, sagte er. Verbündeten Nationen versprach Biden, angeschlagene Allianzen zu kitten. Auch sparte er nicht mit scharfer Kritik an der „Kultur erfundener Fakten“ seines Vorgängers.

Mehrmals das Kapitol umkreist

Vorausgegangen waren der Antrittsrede des ältesten Präsidenten in der Geschichte kontrastreiche Bilder, wie Amerika sie sie noch nie gesehen hatte. Begonnen hatte der Morgen mit dem geradezu skurrilen Abschied Trumps, der im Hubschrauber „Marine One“ mehrmals das Kapitol umkreiste und sich später auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews Air Force Base mit 21 Salutschüssen und vollen militärischen Ehren feiern ließ.

Mit der musikalischen Untermalung der Frank Sinatra Ballade „My Way“ hob dann um kurz vor neun, das letzte Mal mit der Trump-Familie an Bord, die Regierungsmaschine Air Force One in Richtung Florida ab. Der Abgesang eines Reality-Show-Stars, der in den dichten Wolken über Washington verschwand, während sich sich Biden und seine Familie in der St. Matthews Kathedrale unweit vom Weißen Haus einfanden.

Dort wollte der zweite katholische Präsident nach John F. Kennedy die letzte Messe vor seiner Amtseinführung feiern und zugleich ein Zeichen der Versöhnung setzen.