Tübingen

Tröstlich

Nach 92 Jahren ist die Osiandersche Buchhandlung in Tübingen von der Wilhelmstraße zum Hauptsitz Metzgergasse umgezogen.

23.10.2017

Von Jens Rüggeberg, Tübingen

„Der Kritiker ist Stratege im Literaturkampf“, schrieb Walter Benjamin in „Einbahnstraße“. Der Buchhändler dagegen ist Stratege im Kampf um Marktanteile. Darin ist Osiander seit dem Erwerb durch Richard Jordan, Vorfahr der heutigen Eigentümer, ziemlich erfolgreich.

Jordan kämpfte aber auch noch an einer anderen Front. Auf der Osiander-Homepage (!) schildert Jordans Tochter Brigitte Riethmüller, auf welche Weise ihr Vater, gewesener Marineoffizier, zusammen mit seinem Kriegskameraden Gustav Pezold 1920 den Kauf der Buchhandlung stemmte. Die beiden verlegten im Eigenverlag einen Bestseller des berüchtigten Obersten Max Bauer unter dem Titel „Der große Krieg in Feld und Heimat“. Ludendorff-Intimus Bauer schrieb republikfeindlich, revanchistisch und nationalistisch; ein Jahr vor Erscheinen des Buches hatte er am Kapp-Putsch teilgenommen.

Bauers Ansichten waren auch die Jordans. Der war zusammen mit Pezold in der berüchtigten „Marine-Brigade Ehrhardt“ (Freikorps). Pezold war auch Tübinger Kommandeur der illegalen „Organisation Consul“, auf deren Konto die Ermordung von Erzberger und Rathenau ging. Und OC-Landesführer Dietrich von Jagow, 1941-44 Nazi-Gesandter in Ungarn, konnte 1922 vorübergehend als Volontär bei Osiander unterkommen. Im Rahmen der Ermittlungen zum Erzberger-Mord wurden die beiden Osiander-Inhaber denn auch von der Polizei vernommen. Das war 1921.

Die heutigen Inhaber dagegen stellen keine Bücher von Kopp, Grabert und Co. ins Regal. Das ist tröstlich.