Motorrad-WM

Trauriges Saison-Finale

In Valencia findet das letzte Rennen statt. Der Tod des Teamchefs Kiefer ist noch nicht geklärt. Auch deshalb ist Corteses Zukunft überschattet.

10.11.2017

Von THOMAS GRUBER

Am Sonntag in Spanien ein letztes Mal auf der Suter-Maschine für das Memminger Intact-GP-Team am Start: Sandro Cortese. Foto: dpa

Am Sonntag in Spanien ein letztes Mal auf der Suter-Maschine für das Memminger Intact-GP-Team am Start: Sandro Cortese. Foto: dpa

Valencia. Oft ist im Sport vorschnell von Dramen die Rede. Dabei sind lediglich irgendwelche Rückschläge gemeint, die der Tragweite eines Dramas nicht annähernd gerecht werden. Schicksalsschwer ist Drama, das die große Familie in der Motorrad-WM getroffen hat: In der Nacht auf den 27. Oktober war Stefan Kiefer völlig unerwartet in einem Hotel in Sepang/Malaysia verstorben. Der Mitbesitzer und Teammanager des deutschen Rennstalls Kiefer Racing hinterlässt den siebenjährigen Sohn Jayden und seine Lebensgefährtin Nadine. In wenigen Tagen wäre Stefan Kiefer 52 Jahre alt geworden. Der Leichnam ist mittlerweile in Deutschland eingetroffen. Es soll eine zweite Obduktion erfolgen, da die Todesursache immer noch ungeklärt ist. Die offizielle Trauerfeier ist für den 15. November vorgesehen.

Stefan Kiefer war mit seinem Bruder Jochen ein erfolgreiches Gespann – 2011 wurde Stefan Bradl im Kiefer-Team Moto-2-Weltmeister, vor zwei Jahren gelang im Moto-3-Championat mit dem Engländer Denny Kent der zweite Fahrer-Titel.

Und damit sind wir bei Sandro Cortese, dem zuletzt so glücklosen Moto-2-Fahrer vom Ulmer Motorsport-Club. Es war im Jahr 2005, als die Kiefer-Brüder dem damals 15-Jährigen aus Berkheim die Chance gaben, eine komplette WM-Saison zu bestreiten. Für den talentierten, oberschwäbischen Jungspund sprangen im Debüt-Jahr acht WM-Zähler heraus, die Gesamtrang 26 bedeuteten.

Nach einigen Team-Wechseln gelang Cortese 2012 der große Coup, als er auf einer Ajo-KTM Moto-3-Weltmeister wurde. Hoch motiviert wechselte der Berkheimer in die Moto-2-Klasse, um ihn herum wurde mit dem Memminger Intact-GP-Team eine Komfortzone errichtet, in der Cortese zu weiteren Titeln herangasen sollte.

Doch weit gefehlt. Nach fünfjähriger Zusammenarbeit und zahlreichen Rückschlägen fährt Sandro am Sonntag beim Saison-Finale in Valencia ein letztes mal für sein Heimat-nahes Team. In den vergangenen Wochen und Monaten war Cortese händeringend auf der Suche nach neuen Alternativen. Ein Umstieg in die hierzulande mäßig bedeutungsvolle Superbike-WM kam für ihn nicht in Frage. Zweimal platzten in letzter Sekunde Deals mit anderen Teams. Seine quasi letzte WM-Hoffnung ruht ausgerechnet auf dem Kiefer-Rennstall.

Wie das Magazin „Speedweek“ erfahren hat, soll der britische Geschäftsmann David Pickworth dank Sponsorgelder aus Russland das Kiefer-Team übernehmen. Neben dem Schweizer Dominique Aegerter soll Cortese die zweite KTM-Maschine bekommen.

„Ich hatte viele tolle Jahre im Intact GP-Team. Mitte der Saison haben wir beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Diese Entscheidung haben wir im Guten getroffen“, so Cortese, „aber für mich ist es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“

Ursprünglich war eine Vertragsunterzeichnung für den heutigen Freitag in Valencia vorgesehen. Ob es nach dem tragischen Tod Stefan Kiefers dazu kommt, ist noch nicht sicher. In der provisorischen Starterliste für 2018 ist er jedenfalls gemeldet. Sollte eine Kooperation zustande kommen, dann werden Aegerter und Cortese sehr verspätet mit den Wintertests auf die neue Moto-2-Saison beginnen.

Eine optimale Basis für eine sportlich bessere Zukunft nach den zuletzt zahlreichen Rückschlägen und Stürzen sieht wohl anders aus. Aber sonst hätte wohl ein vorzeitiges Ende der Karriere gedroht. WM-Frührente mit 27? Das wäre hart gewesen, aber ein Drama? Sicher nicht. Dramen sehen anders aus.