Triumph zum Trainer-Abschied

Tigers gewinnen 104:100 gegen Hamburg Towers

Die Tigers Tübingen schlagen in einem Offensivspektakel zum Saisonabschluss den bisherigen Tabellenzweiten Hamburg Towers mit 104:100 (52:39).

30.03.2019

Von Vincent Meissner

Ein paar Minuten vor Spielende hatten sich die Tübinger Basketball-Legenden am Hallen-Ausgang zu den Kabinen versammelt. Die Tigers hatten als Überraschung für die kleine Abschiedsfeier alte Weggefährten des scheidenden Trainers eingeladen: Klaus Fischer, Volker Zürn, Radivoj Tomasevic, Philipp Janovsky, Adam Reisewitz, Roman Opsitaru und Martin Schall waren gekommen. Claus Sieghörtner als Hallensprecher für den beruflich verhinderten Jens Leutenecker, Thomas Unger als Abteilungsleiter der SV 03 Tübingen und Tigers-Manager Robert Wintermantel. Ausgerechnet der damalige Center Gerald Dietl fehlte aber, dessen Schwiegersohn Mike Taylor den Gegner Hamburg coacht: Dietl war in Miami, wo er Dirk Nowitzkis Mentor Holger Geschwinder beim Spiel gegen Dallas traf.

Wintermantel bedankte sich im Namen des Vereins nach Spielende bei Kämpf für dessen Bereitschaft, das Traineramt in Tübingen zum dritten Mal zu übernehmen. „Als ich angerufen hab, hat es nicht mal 24 Stunden gedauert und Schorsch war hier und hat die Jungs trainiert.“ Als Präsent gab’s einen Geschenkkorb. „Da kannst du auf deiner Couch viel trinken – und auch ein bisschen was essen“, witzelte Wintermantel.

Hamburg nicht ein Mal in Führung

Der Fanklub „Neckar Tigers“ hatte ein Transparent aus dem Jahr 2004 ausgegraben mit dem Schriftzug: „Danke Schorsch“. Die ursprüngliche zweite Zeile „Danke für die 1. Bundesliga“ war teils überklebt, sodass da stand: „Danke für das neue Feuer!!!!“ Zudem zierte das Banner die Autogramme der Spieler der Aufstiegsmannschaft von damals (siehe „Dunking“). Mit dem Sieg gegen die Hamburg Towers, verabschiedeten sich die Tigers versöhnlich von ihren Fans. Etwa 3000 waren zum letzten Spiel vor der fünfmonatigen Saisonpause gekommen, auch Kämpfs Vorgänger Aleksandar Nadjfeji, den die Tigers Mitte Januar freigestellt hatten.

Die Tigers führen von Beginn an. Nur beim 2:2 schaffte Hamburg den Ausgleich. „Wir haben heute einen Sieg gesehen, der durch Einsatz und Kampfgeist der Spieler zustande gekommen ist“, sagte Tübingens Co-Trainer David Rösch. „Wir haben so viele Tübinger Spieler auf dem Boden gesehen, wie vielleicht die ganze Saison nicht.“

Beim 67:51 Mitte des dritten Viertels hatten die Tigers ihre höchste Führung. Hamburg machte das Spiel aber noch mal spannend, kam auf 88:89 und 90:91 ran. Doch die Tigers behielten in der spannenden Schlussphase den Überblick und siegten. „Am Ende haben wir die Nerven bewahrt, Matchwinner war für mich Bozo Djurasovic, der in der Crunchtime sehr, sehr schlau gespielt hat“, lobte Rösch. Hamburgs Trainer Mike Taylor verfolgte das Spiel die meiste Zeit fast stoisch an der Seitenlinie. Emotionale Ausbrüche gab’s erst nach dem Spiel in der Kabine. Denn die Towers, fast die gesamte Hauptrunde über Zweiter, sind nach der Niederlage auf Rang 4 abgerutscht und könnten im Halbfinale schon auf Hauptrunden-Meister Chemnitz treffen. „Ich bin zufrieden mit dem Kampfgeist in der zweiten Hälfte“, sagte Taylor, „aber nicht mit unserer Verteidigung.“

Kämpf erinnert an Ulm-Duelle

Georg Kämpf verfolgte sein vielleicht letztes Spiel als Profi-Trainer aus der zweiten Reihe, weil er seinem Assistenten David Rösch die Verantwortung übertrug (sehe Infobox). Häufig saß Kämpf mit übereinandergeschlagenen Beinen auf seinem Stuhl. Doch ganz loslassen konnte er dann doch nicht: Mal stand er auf die Werbebande gestützt, mal forderte er mit ausgebreiteten Armen eine engagierte Verteidigung von den Tigers. In den Auszeiten überließ Kämpf in erster Linie Rösch das Wort, gab dann allerdings auch noch Tipps.

Auf der Pressekonferenz erinnerte sich Kämpf an das Aufstiegsduell 2004 mit Ulm und Trainer Mike Taylor. „Letztes Spiel, letzte Pressekonferenz“, sagte der 62-Jährige. „Da schließt sich der Kreis. Eines meiner denkwürdigsten Duelle hatte ich gegen Mike, damals gegen Ulm mit drei Verlängerungen. Heute dachte ich, gebe ich ihm eine Revanche für diese Niederlage, hat nicht geklappt, sorry! Aber ich gehe natürlich gerne mit einem Sieg nach Hause und setze mich wieder auf mein Sofa.“ Das hat es inzwischen schon zu einer gewissen Berühmtheit gebracht.

Kämpfs Plädoyer für Rösch: „Mehr Respekt verdient“

Wie angekündigt, coachte auch gegen Hamburg Tigers-Assistenztrainer David Rösch die Tübinger. Engagiert coachte der 30-Jährige an der Seitenlinie, gestikulierte und rief rein. Nach dem Spiel gab’s ein Plädoyer von seinem Chef Georg Kämpf: „Ich glaube, dass David Rösch zu wenig Respekt entgegengebracht wird. Er macht unheimlich viel Arbeit, er hat mir den Rücken freigehalten, hat im Hintergrund gearbeitet wie ein Pferd, und das wird nicht immer respektiert“, sagte Kämpf auf der Pressekonferenz. „Für David war es eine tolle Erfahrung und er hat es ganz ausgezeichnet gemacht. Ich hoffe, dass er hier in Zukunft mehr Respekt genießt. Ohne ihn hätte ich es überhaupt nicht schaffen können. Dass er in der Lage ist, eine Mannschaft zu coachen, das hat er jetzt bewiesen. Ich denke, er ist der Coach of the Year: 100 Prozent Siegquote – zwei Spiele, zwei Siege. Ich glaube, das kann in der Liga kein Coach vorweisen. Ich gehe davon aus, dass morgen das Telefon heiß läuft und Tübingen Probleme haben wird, ihn hier zu halten. Das ist sicherlich kein Anfänger, der hier sitzt, sonder jemand, der den Respekt verdient hat.“