Zurück in Polen

Thorascheibe nun im Museum in Warschau

Vor vier Jahren restituierte die Stadt Tübingen eine Thorastandscheibe, die als NS-Raubgut im Stadtmuseum lag, an die in Israel lebenden Nachfahren des polnischen Stifters. Diese gaben nun das Familienstück dem neuen Jüdischen Museum in Warschau.

15.12.2015

Von jol

Thorascheibe nun im Museum in Warschau

Tübingen. Die hölzerne Thorastandscheibe ist das Fragment einer Thorarolle aus dem frühen vorigen Jahrhundert. Sie war 16 Jahre im Tübinger Stadtmuseum aufbewahrt worden, ehe sie im Sommer 2010 vom Kulturamt der im Jahr 2001 gegründeten Datenbank „Lost Art“ der Koordinierungsstelle Magdeburg gemeldet wurde.

TAGBLATT-Recherchen führten nach Jerusalem zu Avner Falk, einem Enkel des polnischen Textilfabrikanten und Holocaustopfers Josef Zwi Szpiro, der in den 1920er Jahren die Thorarolle im Andenken an seine Mutter anfertigen ließ und der Synagoge seines Heimatortes Zgierz bei Lodz stiftete.

Im November 2011 übergab Oberbürgermeister Boris Palmer die Scheibe in einer Feierstunde an Avner Falk und dessen Schwester Ibby Mekhmandarov. Die Töchter des evangelischen Theologen Prof. Otto Michel hatten das Thorafragment 19994 aus dessen Nachlass dem Stadtmuseum geschenkt. Wie es an Michel gelangt war, ist noch nicht mit Sicherheit geklärt.

Unmittelbar nach dem Überfall auf Polen im September 1939 zerstörten Deutsche die Synagoge in Zgierz. Avner Falk hat nach jahrelangen intensiven Forschungen herausgefunden, dass sich am 8. September 1939 ein deutscher Unteroffizier mit dem Rabbiner von Zgierz getroffen hat. Von ihm nimmt er an, dass er den Sakralgegenstand Otto Michel schenkte, der damals noch als Pfarrer in Halle wirkte.

Wie Avner Falk nun mitteilte, haben sich im Sommer die in Israel und den USA lebenden Nachfahren des Thorastifters in Jerusalem getroffen und beschlossen, das Familienstück dem voriges Jahr in Warschau eröffneten Jüdischen Museum zu stiften. Dort ist es nun das einzige verbliebene Erinnerungsstück an die zerstörte Zgierzer Synagoge.