The Lobster

The Lobster

In der dystopischen Parabel werden Menschen, die keinen Partner finden, in Tiere verwandelt. Großer Preis der Jury in Cannes.

22.02.2016

Von Dorothee Hermann

The Lobster

Es ist ein Landhotel vom Feinsten, in das der frisch verlassene David (Colin Farrell) ziemlich freudlos eincheckt. Mechanisch absolviert er die Anmeldeformalitäten, zu denen auch die Frage nach seiner sexuellen Orientierung gehört. Denn in dem Luxusresort an der irischen Küste sondert die Gesellschaft einer nahen Zukunft alle Singles ab, um sie einer schnellstmöglichen (Wieder-)Verpartnerung zuzuführen.

Wer es in der maximalen 45-Tage-Frist nicht schafft, wird in ein Tier seiner Wahl verwandelt. Dieses uralte Märchenmotiv entfaltet in der makabren Farce des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos („Dogtooth“) eine beklemmende Wirkung, die sich fast durchgehend auf den Zuschauer überträgt. Trotz des geordnet-gemütlichen Schauplatzes weiß man (wie die Protagonisten) nie, was als nächstes passiert – ob jedes Tier, das auf der Leinwand auftaucht, vielleicht in Wirklichkeit ein Mensch ist wie der Hund, den David bei sich hat. Es ist sein Bruder, der zwei Jahre zuvor beim Partnerdrill gescheitert war.

In dem scheinbar der gepflegten Muße verpflichteten Anwesen herrscht eine durch Dauerüberwachung potenzierte Anspannung, notdürftig kaschiert durch die Weichspüleffekte kommerzieller Unterhaltungstricks. Konsequenterweise bleibt der Meerblick aus den Zimmern meist ausgeblendet.

Die Verheißungen des Tourismus (Riesenpool mit Aussicht, abendlicher Tanz mit Animateur) werden in der makabren Farce seltsam schal vor einem Zwangsregime, das mit dem Tod als menschliches Wesen droht. Beim Festival in Cannes holte die bizarre Verfremdung den Preis der Jury.

David will im Zweifelsfall zum Hummer (Lobster) werden: weil die Krustentiere sehr alt werden, dabei zeugungsfähig bleiben und frei im Meer schwimmen. Doch wer Zusatztage erlangen möchte, muss im nahen Wald einen oder möglichst viele der Einzelgänger erschießen, die sich verbotenerweise dorthin zurückgezogen haben. Deren Anführerin (Léa Seydoux aus „Blau ist eine warme Farbe“) führt ihrerseits ein paramilitärisches Regime, in dem der Sozialdarwinismus fast noch stärker durchschlägt als im Pärchen-Hotel.

Nur noch unter Zwang: aus einem Haufen Egomanen wenigstens Pärchen schmieden.

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Erstellt:
22.02.2016, 11:15 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 22.02.2016, 11:15 Uhr

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