Corona

Teilweiser Impfstopp und neue Reiseregeln

Bund und Länder ringen um den richtigen Kurs in der Pandemie-Bekämpfung. Probleme mit dem Mittel Astrazeneca könnten beim Impfen zu Verzögerungen führen.

31.03.2021

Von NBR

Vorerst nur noch für Ältere: Der Impfstoff von Astrazeneca. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Vorerst nur noch für Ältere: Der Impfstoff von Astrazeneca. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Obwohl die dritte Welle der Corona-Pandemie Deutschland fest im Griff hat, können sich Bund und Länder nicht auf eine gemeinsame Strategie gegen das Virus einigen. Zudem bereitet der Impfstoff Astrazeneca erneut Probleme. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wird Astrazeneca bald bundesweit nur noch Menschen ab 60 Jahren verabreicht? Der Impfstoff wird in Deutschland von diesem Mittwoch an nur noch in Einzelfällen für Menschen unter 60 Jahren eingesetzt. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder beschloss am Dienstagabend auf eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) hin, dass der Impfstoff grundsätzlich nur bei Menschen verwendet wird, die das 60. Lebensjahr bereits vollendet haben.

Hintergrund sind Fälle aus den vergangenen Tagen, in denen erneut vor allem Frauen mittleren Alters nach der Impfung Hirnvenenthrombosen erlitten hatten. Dabei handelt es um gefährliche Verstopfungen von Blutgefäßen im Gehirn.

Bereits Mitte März war in Deutschland nach mehreren Todesfällen im Zusammenhang mit der Verabreichung des Mittels ein genereller Impfstopp für Astrazeneca verhängt worden. Eine Woche später wurde das Mittel des britisch-schwedischen Herstellers wieder freigegeben. Seitdem befindet sich im Beipackzettel aber der Zusatz, dass nach dem Impfen „sehr selten das Auftreten von Blutgerinnseln in Kombination mit niedrigen Blutplättchenwerten beobachtet“ worden sei.

Wird die Bundeswehr beim Impfen verstärkt helfen können? Die Bundeswehr leistet seit einem Jahr Amtshilfe im Kampf gegen Corona – ihr mit Abstand größter derartiger Einsatz bisher. Rund 15?000 Frauen und Männer sind derzeit aktiv; rund 3000 davon in den bundesweiten Impfzentren und dort vor allem als Helfer bei Einweisung und Papierkram. „Hier gehen wir von stärkerer Nachfrage aus“, sagt der zuständige Kommandeur Martin Schelleis mit Blick auf die erwarteten zusätzlichen Impfdosen im zweiten Quartal.

Im Saarland hat seit März das bundesweit einzige Impfzentrum geöffnet, das ausschließlich von der Bundeswehr betrieben wird. Es ist eines von vier Impfzentren des kleinen Bundeslands, das mit einer Erstimpfungs-Quote von 12,9 Prozent einen deutschen Spitzenplatz einnimmt. Nach Angaben von Schelleis soll in der Kaserne nun sogar rund um die Uhr geimpft werden. Das Saarland hatte zuletzt zehntausende zusätzliche Impfdosen bekommen, um sich als Grenzregion besser gegen Vireneintrag aus dem benachbarten Frankreich wappnen zu können. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte seine Lockerungspläne auch mit der hohen Impfrate im Saarland begründet.

Welche neue Reiseregeln gelten für Pendler und Urlauber? Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) teilte mit, dass die stationären Grenzkontrollen nach Tirol mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden. Die Testpflicht und die 14-tägige Quarantäne bleiben aber wie bei Tschechien zunächst bestehen. Generell gilt seit Dienstag: Reisende, die nach Deutschland fliegen, müssen vor dem Einstieg ins Flugzeug einen negativen Corona-Test vorweisen. Diese Maßnahme zielt vor allem auf Mallorca-Urlauber ab. Gültig sind PCR-Tests, Antigen-Schnelltests sowie Selbsttests, sofern sie unter der Aufsicht einer qualifizierten Person durchgeführt werden. Bei einem positiven Ergebnis müssen Reisende noch vor Ort in Quarantäne. Die Balearen-Insel hat für solche Fälle extra ein Quarantäne-Hotel eingerichtet, in dem die Infizierten kostenlos übernachten können.

Wie will der Bund mehr Einfluss auf die Pandemie-Bekämpfung gewinnen? Seehofer sagte, er fände es zwar gut, wenn bundesweit einheitlich auf hohe Inzidenzen reagiert werden würde. Die Länder müssten in die Entscheidungsfindung aber einbezogen werden. „Wir schätzen es so ein, dass so ein Gesetz mit höchster Wahrscheinlichkeit im Bundesrat zustimmungspflichtig wäre.“

Welche Bundesländer folgen Merkels harter Linie bei der Pandemie-Bekämpfung? Ohne Wenn und Aber werden die Bund-Länder-Beschlüsse zur Notbremse nur in Bayern, Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und Brandenburg umgesetzt. Nur dort werden in Kreisen mit einer Inzidenz von 100 und mehr Lockerungen etwa beim Einkaufen oder im öffentlichen Leben – etwa Museums- und Zoobesuch wieder zurückgenommen. In Bayern etwa gilt die Notbremse derzeit in zwei Drittel aller Kommunen.

Welche Länder weichen von Merkels Kurs ab? In Berlin bleiben auch in Stadtteilen, in denen die Inzidenz über 100 liegt, Shoppen, Sporttreiben und der Museumsbesuch möglich. In Hessen bleiben Fitnessstudios geöffnet. In NRW will man auch in Risiko-Kreisen weiter das Shoppen erlauben – vorausgesetzt, die Kunden sind negativ getestet. In Baden-Württemberg will man zwar dafür sorgen, dass in über-100-Gebieten die Notbremse, die auch Ausgangsbeschränkungen vorsieht, gezogen wird. Stuttgart hat sich aber bisher nicht daran gehalten.

Welche Länder sind bei Lockerungen ganz vorne? Sachsen-Anhalt zieht die Notbremse als einziges Bundesland erst bei einer Inzidenz von 150. Groß angelegte Modellversuche mit Lockerungen etwa in der Gastronomie sind in einzelnen Kommunen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen geplant. Das Saarland ist zur Modellregion mit der Öffnung unter anderem von Kinos, Theatern und Fitnessstudios ausgerufen worden. Losgehen soll es am kommenden Dienstag. Es profitieren nur negativ Getestete. Regierungschef Hans kündigte aber an, bei einem exponentiellen Wachstum die Öffnungen wieder zurücknehmen zu wollen.

VON GUIDO BOHSEM, MICHAEL GABEL, DOMINIK GUGGEMOS, ELLEN HASENKAMP