Neuwagen
Tauziehen um Emissionsziele
Im Bundesrat steht die EU-Verordnung zur Senkung des CO2-Ausstoßes auf der Tagesordnung. Die Landesregierung streitet um eine Position.
Stuttgart. Die europäischen Ziele zur Kohlendioxid-Emission (CO2) bei Neuwagen sorgen im Heimatland von Daimler, Bosch und Co. für Dissonanzen in der Landesregierung: Während die Häuser der beiden grünen Minister für Verkehr und Umwelt, Winfried Hermann und Franz Untersteller, für eine Verschärfung der neuen EU-Ziele kämpfen, spricht sich das Ressort von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) dagegen aus. Freitag kommender Woche muss das Land im Bundesrat Farbe bekennen.
Man befinde sich noch in der Abstimmung, betonen die Ministerien. Aber ob sie bis Dienstag, wenn das Kabinett die Linie für den Bundesrat absteckt, noch auf einen gemeinsamen Nenner kommen, ist fraglich. Somit könnte sich Grün-Schwarz ausgerechnet bei einer Frage enthalten, die für Baden-Württemberg in doppelter Hinsicht von enormer Bedeutung ist: Im Südwesten haben besonders viele Kommunen mit dreckiger Luft zu kämpfen – gleichzeitig bildet die Autoindustrie das wirtschaftliche Rückgrat des Landes. Das Tauziehen liefert so auch einen Vorgeschmack auf die anstehende Entscheidung über Diesel-Fahrverbote in Stuttgart, der Grün-Schwarz bisher noch mit Verweis auf die fehlende Urteilsbegründung ausweichen kann.
Ausgangspunkt des aktuellen Streits ist der Vorschlag der EU-Kommission, dass die Autohersteller in der EU die CO2-Emissionen ihrer Neuwagen zwischen 2021 und 2030 um 30 Prozent senken sollen. Für 2021 gelten Grenzwerte von durchschnittlich 95 Gramm CO2 pro Kilometer bei Autos und von 147 Gramm bei leichten Nutzfahrzeugen. Umweltverbände finden das zu lax, die Autoindustrie kaum machbar.
Innerhalb dieser Raster bewegen sich auch Kombattanten in Stuttgart. Das zeigen die Positionierungen in den nicht-öffentlichen Ausschüssen des Bundesrats. Im Verkehrsausschuss hat Hermanns Haus einen Antrag eingebracht, der den Vorschlag der EU-Kommission als „nicht ausreichend“ geißelt, um die globalen, europäischen und nationalen Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Deshalb müsse die Fortschreibung der Flottengrenzwerte „wesentlich ambitionierter“ ausfallen; statt 30 Prozent wird eine Reduktion um 40 Prozent empfohlen. Einem inhaltsgleichen Antrag hat im Umweltausschuss des Bundesrats auch Unterstellers Haus zugestimmt. „Wir sind der Meinung, dass der Verkehrssektor einen deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Sonst ist das Klimaschutzabkommen von Paris nicht haltbar“, argumentiert Hermanns Sprecher. „Die CO2-Emissionen im Verkehrssektor in der EU stagnieren in den letzten 25 Jahren, da müssen wir ansetzen“, sagt Untersteller.
Die Gegenposition vertritt das bayerische Wirtschaftsministerium, das die EU-Werte entschärfen will. „Vor dem Hintergrund der Klimaziele kommt für uns eine Relativierung der EU-Ziele nicht in Frage“, sagt Hoffmeister-Kraut. Allerdings sieht sie im Gegensatz zu ihren grünen Kabinettskollegen auch keinen Spielraum für Verschärfungen: „Unser Credo lautet: so ambitioniert und realistisch wie möglich. Derzeit sehen wir aber keine Grundlage für noch höhere Werte.“ Denn infolge der Diesel-Krise seien die CO2-Ziele noch schwerer zu erreichen.
Die Politik habe hier auch eine soziale Verantwortung für die vielen Arbeitsplätze. Die Erreichbarkeit der EU-Ziele hänge an der Akzeptanz der E-Mobilität. Deshalb schlägt Hoffmeister-Kraut eine Revisionsklausel für 2023 vor: Dann soll überprüft werden, ob für 2030 tatsächlich ambitioniertere Ziele erreichbar wären. Ob das den Grünen genügt, muss sich bis Dienstag zeigen.