Der TVR ist chancenlos – eine Lehrstunde

TVR verliert vor 2150 Zuschauern deutlich mit 0:3 (12:25, 19:25, 16:25) gegen Friedrichshafen

Nach dem Spiel skandierten die Fans „Idi, Idi“ und forderten den Rottenburger Außenangreifer Idner Martins auf, zu ihnen zu kommen. Der tat ihnen den Gefallen, stand vor dem Block, applaudierte, klatschte alle Hände ab, die sich ihm entgegenstreckten, ließ Fotos von sich und den johlenden Menschen machen.

29.10.2017

Von Tobias Zug

Sie haben ihn nicht vergessen, ihren einstigen Publikumsliebling, die Friedrichshafener Anhänger. Blöd für Martins in dieser Situation, dass er jetzt beim TV Rottenburg spielt und ihm eigentlich gar nicht so nach Feiern zumute war. „Wir haben so viele einfache Fehler gemacht“, grantelte der 38-Jährige später, „das ist verdammt ärgerlich.“ Das hatten die Rottenburger in der Tat: Tim Grozer flutschte der Ball bei der Annahme mal durch die Finger, Martins und Libero Johannes Elsäßer behinderten sich mal gegenseitig bei der Annahme, undundund.

Aber: Selbst wenn ihnen diese „kleinen Fehler“ nicht unterlaufen wären, hätten die Rottenburger vielleicht höchstens das Ergebnis der Niederlage etwas anschaulicher gestaltet. Zu überzeugend, zu souverän, zu stark war der Rekordmeister und Pokalsieger. „Das war eine Lehrstunde, der – so ist meine Analyse – mit Abstand besten Mannschaft der Liga“, sagte TVR-Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger.

Selbst Friedrichshafens Trainer Vital Heynen tat sich schwer, Schwachpunkte seiner Mannschaft zu finden. „So klar haben wir, glaube ich, noch nie gewonnen, seit ich in Friedrichshafen Trainer bin“, sagte er. Gut, ein paar Aufschlagfehler hatten sie drin, die Friedrichshafener – sonst hätte der TVR im ersten Satz nur einstellig gepunktet. Aber sonst: Der VfB-Block war ein unüberwindbares Dickicht für die Rottenburger, dahinter war das Feld so gut besetzt, dass die TVR-Angreifer keine Lücken fanden. Im Gegensatz zu Friedrichshafens Diagonalspieler Daniel Malescha, der die Bälle oft gekonnt von Tomas Kocian serviert bekam und nach Belieben dorthin schlug, wo kein Rottenburger war. Und so mit 17 Punkten der mit Abstand beste Scorer war. „Wir haben es heute durch die Bank gut gemacht“, sagte Malescha, „bei mir lief es auch ganz gut, mit Tomas hatte ich gleich eine gute Verbindung gehabt.“

Ab dem zweiten Satz, als Ferenc Németh auf die Diagonalposition rückte, steigerte sich der TVR etwas, kam sogar immer mal wieder bis auf ein, zwei Punkte heran. „Aber wir hatten nie so den Zugriff, und Friedrichshafen machte überhaupt keine Fehler“, sagte TVR-Mittelblocker Lars Wilmsen, „das Spiel ging unglaublich schnell an einem vorbei.“

Nach anderthalb Stunden war das Spiel dann auch vorbei. Die offiziell 2150 Zuschauer, von denen kurz vor dem Spiel viele noch lange Schlange standen vor der Abendkasse, hatten ein einseitiges Spiel gesehen. „Weil wir noch nicht soweit sind, auch unsere strategische Substanz durchzuspielen“, erläuterte Müller-Angstenberger, „wenn wir so gespielt hätten wie am Donnerstag im Training, wäre es anders abgegangen.“ Dann wäre die Niederlage gelinder ausgefallen.

Erste rote Karte in Deutschland

Seit fünf Jahren arbeitet der Belgier Vital Heynen schon als Trainer in Deutschland. Erst als Bundestrainer, seit 2016 auch als Coach des Rekordmeisters VfB Friedrichshafen. Aber am Samstag Abend feierte er eine Premiere: Erstmals bekam er hierzulande eine rote Karte. Weil er zu viel am Schiedsrichter herumkrittelte und sich beschwerte. „Die Schiedsrichter haben immer recht“, sagte Heynen nach dem Spiel schmunzelnd, „ich soll halt nicht so viel reden.“ Beim Stand von 1:1 bescherte die rote Karte dem TVR einen Punkt – und das kurze, seltene Gefühl einer Führung gegen den Supercupsieger.