Tübingen · Städteplanung

T-Rex in der Beletage

Der Tübinger OB war im Museum und schlägt vor, die Urzeitsammlung der Universität am Europaplatz anzusiedeln.

18.05.2019

Von Wilhelm Triebold und Gernot Stegert

Die Tübinger Sammlung hat den Tyrannosaurus Rex zwar nur als Nachbildung eines Originals aus den USA zu bieten, aber bei den Kindern ist der gierige Fleischfresser allemal der Star. Jetzt steuert er womöglich den Tübinger Europaplatz an – mit Aussicht auf eine Mahlzeit im Hauptbahnhof? Archivbilder: Erich Sommer/Ulrich Metz; Montage Uhland2

Die Tübinger Sammlung hat den Tyrannosaurus Rex zwar nur als Nachbildung eines Originals aus den USA zu bieten, aber bei den Kindern ist der gierige Fleischfresser allemal der Star. Jetzt steuert er womöglich den Tübinger Europaplatz an – mit Aussicht auf eine Mahlzeit im Hauptbahnhof? Archivbilder: Erich Sommer/Ulrich Metz; Montage Uhland2

Boris Palmer hat einen Brief an die Wissenschaftsministerin des Landes, Theresia Bauer, und an Uni-Rektor Bernd Engler geschickt. Darin berichtet Tübingens OB begeistert von einem Museumsbesuch in seiner Heimatstadt, der ihm unbekannte – oder in der Erinnerung verschüttete – Schätze der paläontologischen Sammlung offenbarte. All die Relikte und besonderen Stücke der Landesgeschichte, die Fossilien und Dinosaurierskelette, „die Kinderaugen leuchten und Erwachsene staunen lassen“, wie Palmer schreibt.

Tatsächlich ist die Tübinger Paläontologische Sammlung, die im 18. Jahrhundert als Forschungs- und Lehrsammlung entstand, ein ganz besonderes Schmuckstück unter den rund 70 (?) Teilsammlungen der Universität. Da finden sich das Skelett des Meereskrokodils Steneosaurus bollensis ebenso wie das „Schwäbische Medusenhaupt“ (eine fossile Seelilie) oder der Abdruck eines Ichtyosauriers. Spektakulär auch das Skelett des Riesensauriers „Stahleckeria“, den Tübingens „Saurierpapst“, der Paläontologe Friedrich von Hoyningen-Huene, in den 1930er-Jahren in Brasilien ausgrub, oder der Flugsaurier „Pteranodon ingens“, der in die Entwicklungskette vom Dinosaurier zum Vogel gehört.

Das alles schlummert mehr oder minder vergessen im Geologischen Institut hinter der Mensa Wilhelmstraße vor sich hin. Der Publikumsverkehr bleibt überschaubar, allerdings verirrten sich doch immer mal wieder auch Schulklassen dorthin. Palmer schreibt offen: „Ich lebe nun seit 25 Jahren in dieser wunderbaren Stadt und doch habe ich die großartigen Ausstellungsstücke der paläontologischen Sammlung nie mehr als zwei Minuten beachtet.“ Nun schwant dem OB, dass mit dem geplanten Umzug der Geologie auf die Morgenstelle dieser Schatz noch unzugänglicher werden könnte als bisher. Die Ausstellung werde „in jedem Fall vom Institut getrennt, das heute an diesen Themen forscht“, schreibt er. Aus einer Lehr- und Schausammlung könne jetzt aber auch „ein richtiges Museum werden“.

Deshalb schlägt er dem Land und der Uni vor, ein neues Museum der Universität in die Bebauung des Europaplatzes einzubringen. Palmer schwebt dabei vor, dass auf den angedachten Gebäuden, die bisher in der Planung „nur vage mit Wohnbenutzung belegt“ seien, genausogut die Saurier- und Fossiliensammlung unterkommen könnte, mit Blickachsen zu den Gründungsorten der Universität, wie etwa dem dem Sitz des Museums der Alten Kulturen im Schloss. Und der Verkehrsanbindung zum nahen Hauptbahnhof. „Ein Tyrannosaurus Rex mit diesem Ausblick – wer würde sich dieses Fotomotiv entgehen lassen?“, schwärmt Palmer.

Es gebe „noch viele Freiheitsgrade bei der künftigen Bebauung des Europaplatzes, die 2023 starten soll. Die Stadt beabsichtige als Grundstücks-Eigentümerin, „verschiedene Akteure unter einem Dach zu vereinen“, wie Palmer betont. „Die oberste Ebene dem Land zu reservieren, wäre aus meiner Sicht gut machbar.“

Von der Universität war am Freitag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Fast alle Fraktionen finden die Idee von Oberbürgermeister Boris Palmer gut

Die Reaktionen der Fraktionen im Tübinger Gemeinderat auf den Vorstoß von Oberbürgermeister Boris Palmer sind unterschiedlich. Für AL/Grüne antwortete Christoph Joachim auf die TAGBLATT-Nachfrage: „Grundsätzlich ist es der Fraktion AL/Grüne ein zentrales Anliegen, dass die Juwelen des Museums der Universität (MUT) in Tübingen deutlich besser als bisher zur Geltung gebracht werden und ihre Strahlkraft entfalten. Dies kann am Europaplatz gut gelingen. Wir denken, dass die Entwicklung des stationären Handels, der dort bisher vornehmlich angedacht ist, alleine nicht die Zukunft der (europäischen) Innenstadt sein wird. Ein qualitativ exzellentes Universitätsmuseum kann Konzertsaal, Handel, Dienstleistung und Wohnen am Europaplatz gut ergänzen.“ Palmers Brief sei ein „Vorfühlen und keinerlei Präjudiz“. Für die SPD sagte Martin Sökler, „Eine bessere Sichtbarmachung der herausragenden paläontologischen Sammlung ist eine sehr gute Idee. Warum nicht am Europaplatz? Vielleicht lässt sich ein Museum der Universität am Europaplatz auch als Schaufenster für die anderen zahlreichen Sammlungen der Uni und natürlich auch für das Weltkulturerbe der Eiszeitfiguren nutzen.“ Ernst Gumrich (Tübinger Liste) ist auch dabei: „Solche Ideen des Oberbürgermeisters gefallen mir richtig gut. Der Europaplatz mit einer reinen Shopping-Mall daneben, passt nicht so recht zu Tübingen. Der Platztausch mit dieser Folge einer attraktiven Mischung am Europaplatz und dann in den freiwerdenden Räumen einer Wohnbelebung des Talcampus gefällt mir außerordentlich.“ Gerlinde Strasdeit (Linke) ist ebenfalls offen: „Ich finde das auch eine spannende Idee, aber schade, dass wir Gemeinderät*innen immer die letzten sind, die davon erfahren. Das ist Palmer-Demokratie.“ Für „keine sonderlich gute Idee“ hält Dietmar Schöning (FDP) Palmers Vorstoß. Die Sammlung brauche Raum und sei besser im Unicampus Tal aufgehoben. Außerdem sei es nicht gut, dass der OB „einfach mal so einen Gedanken in die Debatte schmeißt“. Für die CDU erklärte Rudi Hurlebaus: „Es ist eine reizvolle Idee von Herrn Palmer, aber der kommende Gemeinderat muss sich mit dem Thema erst einmal befassen.“

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Erstellt:
18.05.2019, 01:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 18.05.2019, 01:30 Uhr

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