Bundesliga

Stuttgarts neue Leidenschaft

Der VfB begeistert mit packenden Auftritten im eigenen Stadion und entwickelt im direkten Zusammenspiel mit den Anhängern die spezielle Kraft.

20.11.2017

Von ARMIN GRASMUCK

Nach dem Siegtreffer zum 2:1 gegen Dortmund: Die VfB-Profis Andreas Beck, Santiago Ascacibar und Berkay Özcan (von links) jubeln mit den Torschützen Josip Brekalo (vorn). Foto: Imago

Nach dem Siegtreffer zum 2:1 gegen Dortmund: Die VfB-Profis Andreas Beck, Santiago Ascacibar und Berkay Özcan (von links) jubeln mit den Torschützen Josip Brekalo (vorn). Foto: Imago

Stuttgart. Sogar die sonst eher zurückhaltenden Gäste auf der Haupttribüne der Stuttgarter Arena sind laut geworden. Als die Dortmunder in der Schlussphase auf den Ausgleich drückten, hielten die Anhänger der Gastgeber stimmgewaltig dagegen. „VfB, VfB!“, so schallte es aus der Cannstatter Kurve, und nahezu das ganze Stadion stimmte ein. Die Fans der Stuttgarter spürten, wie sehr ihre Elf den Schub an Energie und moralischem Beistand benötigte. Den 2:1-Erfolg über die Spitzenmannschaft aus Westfalen verdienten sich Kapitän Christian Gentner und seine Mitspieler schließlich, weil sie von der ersten bis zur letzten Minute der Partie den gewissen Tick spritziger, bissiger und leidenschaftlicher waren.

Das Sinnbild der Stuttgarter Willenskraft war Gentner. Nur 62 Tage nach der schweren Verletzung – die er sich im Duell mit Wolfsburg, als er mit Torwart Koen Casteels zusammenprallte, zugezogen hatte – kehrte der Spielführer auf grandiose Weise zurück. Er stand in der Startelf und hielt bis zum Schluss durch. Geschützt von einer schwarzen Maske aus Kunststoff, die bedrohlich wirkte, rackerte und ackerte er aufrichtig und unermüdlich. „Ich hatte keine Angst“, sagte Gentner nach dem Spiel. „Die Maske gab mir sogar Sicherheit.“

Es war beeindruckend, mit welchem Nachdruck die VfB-Profis gegen die spieltechnisch überlegen scheinenden Gäste zu Werke gingen. Konsequent attackierten sie, weit in des Gegners Hälfte, und wurden prompt belohnt. Chadrac Akolo, der pfiffige Torjäger, provozierte den frühen Führungstreffer, indem er Dortmunds Torwart Roman Bürki keine fünf Minuten nach dem Anpfiff schnurgerade anlief und zu einem folgenschweren Fehlpass zwang.

Die Stuttgarter, die ausnahmsweise in ungewohnt schwarzen Trikots aufgelaufen waren, zeigten auch Charakter, als sie kurz vor der Halbzeit höchst unglücklich – einen Handelfmeter im Nachschuss – den Ausgleich hinnehmen mussten. Kein Zaudern, kein Verzagen. Angeleitet von dem klaren Konzept des Trainers Hannes Wolf und getragen von dem Zuspruch der eigenen Fans, der an die meisterliche Spielzeit 2006/2007 erinnerte, setzten sie nach. Josip Brekalo, nach der Pause für Akolo eingewechselt, erzielte nach einem blitzschnellen Gegenzug und feiner Finte das 2:1. In den Minuten danach, als die Gäste ihre Abwehr entblößten, hatte der VfB mehrfach die Gelegenheit zu erhöhen. Groß war der Jubel, als der Schiedsrichter den Schlusspfiff blies und der Titelkandidat bezwungen war.

„Wir haben einen unglaublichen Wohlfühlfaktor im Verein“, sagte Michael Reschke, der Sportvorstand, mit strahlenden Augen: „Wie die Mannschaft sich entwickelt, der Trainerstab, wie alles hier zusammenwächst. Es ist unvorstellbar, was für eine Atmosphäre im Stadion herrscht. Der ganze Klub hat frisches Selbstvertrauen.“ Wie weit der neue Schwung reicht, wird sich am Freitag zeigen, wenn der VfB zum Gastspiel in Hannover antritt.