Gesundheit

Studenten öfter depressiv

Zeit- und Leistungsdruck: Immer mehr junge Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen.

23.02.2018

Von HAJO ZENKER

Berlin. Studenten sind vergleichsweise gesund und haben nach einem Abschluss meist gute Berufschancen. Trotzdem ist in den vergangenen Jahren die Zahl der psychischen Erkrankungen bei Studenten deutlich gestiegen. Das geht aus dem Arztreport 2018 der Barmer Ersatzkasse hervor. Demnach ist jeder sechste Studierende betroffen – insgesamt sind es 470?000. Auch insgesamt sind Jugendliche unerwartet stark mit diesen Problemen konfrontiert: Der Anteil der 18- bis 25-Jährigen mit psychischen Diagnosen sei von 2005 bis 2016 um 38 Prozent gestiegen, bei Depressionen um 76 Prozent. Jeder Vierte (26 Prozent) der rund sieben Millionen jungen Erwachsenen hat danach eine derartige Störung, die sich etwa in negativen Gedanken, Interessenlosigkeit, Entscheidungsproblemen, Schlaf- und Appetitstörungen äußert.

„Vieles spricht dafür, dass es künftig noch deutlich mehr psychisch kranke junge Menschen geben wird. Gerade bei den angehenden Akademikern steigen Zeit- und Leistungsdruck kontinuierlich, hinzu kommen finanzielle Sorgen und Zukunftsängste“, erklärt Barmer-Vorstandschef Christoph Straub. Auffällig sei, dass das Risiko einer psychischen Erkrankung unter Studenten mit steigendem Alter stark zunimmt. Im Alter von 18 Jahren wird Studenten nur halb so häufig eine Depression bescheinigt wie ihren Altersgenossen, zehn Jahre später zeigt sich ein komplett umgekehrtes Bild.

Online-Angebote kommen an

Auch wenn man einkalkuliere, dass sich junge Leute heutzutage häufiger trauten, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist das für Straub ein beunruhigender Befund. Um gegenzusteuern, müsse man der Generation Smartphone entgegenkommen und etwa anonyme Online-Angebote machen, mit deren Hilfe Prüfungsangst, Niedergeschlagenheit oder Schlafschwierigkeiten besser bewältigt werden könnten. Erste Erfahrungen zeigten, dass solche Unterstützung häufig sehr wirksam sei.

Es müsse auch die klassische Behandlung verbessert werden, etwa indem Hausärzte häufiger als Lotsen fungierten. Denn die Betroffenen verhielten sich sehr unterschiedlich. Mehr als ein Viertel der jungen Erwachsenen nehme schon bei einer leichten depressiven Episode die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch. Andererseits verzichteten viele schwer Erkrankte auf Unterstützung. So finde sich in den ausgewerteten Daten bei jungen Leuten mit Depression bei fast jedem Zweiten kein Kontakt zu Fachärzten oder Psychotherapeuten.

Deutschland ist mit dieser Entwicklung übrigens nicht allein: Die Weltgesundheitsorganisation rechnet damit, dass Depressionen 2020 die zweithäufigste Volkskrankheit sein werden. Schon heute sind weltweit zirka 350 Millionen Menschen betroffen.

Hajo Zenker