Was bewirkt Wechselunterricht?

Streitfall halbe Klassen

Die Idee klingt logisch: Um die Ansteckungsgefahr in den Schulen zu verringern, sollen die Klassen halbiert werden. Das sehen die Corona-Pläne der Bundesländer vor. Die einen genießen weiter den direkten Kontakt zur Lehrkraft, die anderen bleiben zu Hause und erledigen dort ihre Aufgaben.

26.11.2020

Von MICHAEL GABEL

OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher. Foto: Jörg Carstensen/dpa

OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin. Dank der heutigen digitalen Möglichkeiten sollte das kein Problem sein – eigentlich.

Zu den Befürwortern des Wechselunterrichts gehören so unterschiedliche politische Kräfte wie Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, aber auch Lehrerverbände und viele Schülervertreter. Zwei Hauptargumente nennen die Verfechter des hybriden Unterrichts – also der Kombination aus Präsenz- und Distanzunterricht: Zum einen sehe man an den Hochschulen, dass das digitale Lernen gut klappe. Zum anderen sei der Hybridunterricht eine gute Vorbereitung für den Fall, dass die Schulen demnächst coronabedingt vielleicht doch geschlossen werden müssen.

Nicht ganz klar scheint allerdings unter den Befürwortern zu sein, in welcher Weise die Zuhausebleiber in den Unterricht eingebunden werden sollen: durch das Dazuschalten zum Präsenzunterricht per Video, durch zusätzlichen Videounterricht? Oder sollen die Aufgaben zu Hause ohne Betreuung erledigt werden? Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft plädiert man für Letzteres – weil man den Lehrkräften keine Doppelbelastung auferlegen könne, wie die Vorsitzende Marlis Tepe sagt.

„Viel Nachholbedarf“

Kritisch sieht den Wechselunterricht auch Andreas Schleicher, Direktor für Bildung bei der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, die die internationalen Pisa-Tests zur Leistungsmessung an den Schulen durchführt. Deutschland habe bei der Digitalisierung der Schulen „unglaublich viel Nachholbedarf“, sagt er. Mit dem milliardenschweren Digitalpakt zwischen Bund und Ländern sei zwar ein Anfang gemacht worden. Aber zusätzlich zu Laptops, Wlan und fähigen Administratoren brauche man „wirklich gute Lernplattformen und ansprechende Unterrichtsmaterialien, die voll in die Lehrpläne integriert sind“.

Die Schüler und viele Lehrer seien bei der Digitalisierung schon viel weiter als die meisten Schulen, betont Schleicher. Seine Befürchtung: Beim Wechselunterricht könnten genau diejenigen auf der Strecke bleiben, die besonderen Lernbedarf haben. Mit der Folge, dass die soziale Spaltung an den Schulen weiter zunehme. Michael Gabel