OB Bosch: Land handelt auf Kosten der Kommunen

Streit ums richtige Sparen / Städte fordern mehr Unterstützung vom Grün-schwarz

Geht’s nach dem Land, sollen die Kommunen diesem beim Sparen helfen. Der Städtetag will da nicht mitmachen. Er fordert mehr finanzielle Unterstützung.

06.08.2016

Von BETTINA WIESELMANN

Reutlinger Rathauschefin und Städtetagspräsidentin: Barbara Bosch verwahrt sich gegen einen neuen Sparbeitrag der Kommunen. Foto: Marinka Belanov

Reutlinger Rathauschefin und Städtetagspräsidentin: Barbara Bosch verwahrt sich gegen einen neuen Sparbeitrag der Kommunen. Foto: Marinka Belanov

Stuttgart. Knapp 100 Tage ist die grün-schwarze Landesregierung im Amt. Dass sie behauptet, sehr kommunalfreundlich zu sein, hat Städtetagspräsidentin Barbara Bosch seither öfter gelesen und gehört. Doch Anspruch und Wirklichkeit decken sich nach Ansicht der parteilosen Oberbürgermeisterin von Reutlingen jedenfalls bisher nicht.

„Kommunen und Beamte sehen sich derzeit als einzige Adressaten der Einsparbemühungen der neuen Landesregierung“, stellte Bosch gestern in Stuttgart fest. Dabei verwies sie auf die Ankündigung von Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne), wonach im nächsten Haushalt etwa 430 Millionen Euro bei Kommunen und Beamten eingespart werden sollen. Weitere 370 Millionen müssten die Ministerien erbringen. Mit Blick auf die bekannt gewordenen Nebenabreden zum Koalitionsvertrag, die vom Haushaltsvorbehalt freigestellte hohe Mehrausgaben festschreiben, sagte sie: „Das Land kann nicht kommunale Sparbeiträge verlangen und hintenrum dieses Geld für andere Zwecke ausgeben – jedenfalls nicht mit dem Städtetag.“

Dass man in der Frage der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen von Land und Kommunen noch weit auseinander ist, hatte schon die erste Sitzung der gemeinsamen Kommission Ende Juli deutlich gemacht. Bosch beklagte, „dass es überhaupt keine Signale“ gegeben habe, ob und inwieweit sich neben dem Bund auch das Land an der Finanzierung der Anschlussunterbringung der Flüchtlinge zu beteiligen gedenke. So habe der Staatsminister im Staatsministerium, Klaus-Peter Murawski, gar keine Notwendigkeit dafür gesehen, indem er die Aufgabe mit der Versorgung von Obdachlosen verglichen habe, für die die Kommunen zuständig sind.

Diese Einschätzung aber werde dem Problem in keiner Weise gerecht, sagte Bosch. Neben den eigentlichen Unterbringungskosten, die der Bund tragen wolle, gehe es um spezielle soziale Betreuung von oft traumatisierten Flüchtlingen, aber auch der vielen Ehrenamtlichen. Auch Sicherheitsdienste in Sammelunterkünften müssten bezahlt werden. „Unsere Sorge ist, dass das Land die Verantwortung nicht in dem Maß gemeinsam mit uns tragen will, wie wir es für nötig halten.“ Pro Flüchtling und Jahr rechnet der Städtetag mit einem Aufwand von mindestens 1000 Euro, was sich bei den derzeitigen Zahlen auf etwa 3,4 Millionen Euro hochrechnen lasse.

Mehr finanzielle Unterstützung vom Land wollen die Städte auch beim Schulhausbau. „Es ist ein Umschwenken nötig, weg von der Euphorie des Schulhaus-Neubaus (der vom Land bezuschusst wird), hin zu einer nachhaltigen Förderung“, erklärte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Gudrun Heute-Bluhm. Immer öfter müsse bei insgesamt guter Bausubstanz das gesamte Schulgebäude energetisch, technisch, baulich (Barrierefreiheit) saniert werden. Das gehe weit über eine reine, von den Kommunen zu leistende Bauerhaltung hinaus.

Die Städtetagspräsidentin widersprach nicht der auch von der Landesregierung ins Feld geführten Einschätzung, dass es den Kommunen in Baden-Württemberg insgesamt gut geht. Zum fünften Mal in Folge erwirtschafteten sie 2015, wie berichtet, einen Überschuss (900 Millionen Euro). Bosch verwahrte sich aber dagegen, dass das Land von den Kommunen jetzt einen Sparbeitrag erwarte. Schon derzeit würden durch den Vorwegabzug durch das Land jährlich 315 Millionen Euro, die den Kommunen zustünden, vorenthalten. Und die grün-rote Landesregierung habe zugesagt, diesen Betrag auf Null zurückzuführen. Eine Erhöhung sei mit dem Städtetag nicht zu machen.

Heute-Bluhm verwies darauf, dass die Kommunen, anders als das Land, „seit den 50er Jahren eine Schuldenbremse haben.“ Sie dürften keine Kredite über ihre Leistungsfähigkeit hinaus aufnehmen. „Ich erwarte, dass das Land sich in gleicher Weise bemüht, seinen Haushalt in den Griff zu bekommen.“ Wenn das disziplinierte Haushalten der Kommunen jetzt herhalten soll, um die die Landesfinanzen zu sanieren, dann sei das „der Kern unseres Unmuts.“