Studium

Streit über Medizinprüfung

Das Zulassungsexamen für angehende Ärzte steht wegen einer möglichen Ansteckungsgefahr auf der Kippe. Das empört viele Studenten.

23.03.2020

Von Elisabeth Zoll

Medizinstudenten vor einem OP-Raum beim Händereinigen. Ob das Examen im April verschoben wird, ist offen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Medizinstudenten vor einem OP-Raum beim Händereinigen. Ob das Examen im April verschoben wird, ist offen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Muss die zentrale Medizinprüfung M2 wegen der Corona-Krise in das nächste Jahr verschoben werden? Auch Universitäten im Land wären davon betroffen. Die Direktorin des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), Jena Jünger, empfiehlt das den Landesprüfungsämtern nach einer Risiko- und Sicherheitsanalyse. Es sei unter den aktuellen Umständen eine große Herausforderung, die zentralen Tests über den gesamten Lehrstoff der zurückliegenden zehn Semester abzuhalten. Die insgesamt 4600 betroffenen Medizinstudenten müssten auf 89 Prüfungssäle aufgeteilt werden, was unweigerlich dazu führt, dass sich in einigen Räumen mehr als 35 Personen aufhalten müssen. Statt jetzt zu prüfen, rät das IMPP, die Studierenden direkt ins Praktische Jahr zu schicken.

Diese Empfehlung löst unter den Betroffenen heftige Reaktionen aus. Viele Studierende unterstützen eine scharf formulierte Online-Petition. Die Medizinstudenten befürchten, dass so kurz vor dem ursprünglich geplanten schriftlichen Staatsexamen im April ihr monatelanges Lernen ins Leere laufen könnte und fordern, den ursprünglichen Prüfungstermin beizubehalten.

Auch die Überlegung, die angehenden Mediziner ohne die zentralen schriftlichen Tests ins Praktische Jahr (PJ) zu entlassen, stößt auf wenig Gegenliebe. „Sie behandeln uns zur Zeit wie Reservisten des Gesundheitssystems, die man mal ebenso verpflichten kann, sich in die erste Reihe zu stellen“, heißt es in der Petition erbost. Das sei nicht fair.

Dabei geht es den Studierenden nach eigenen Worten nicht um eine generelle Weigerung. Sie verbinden ihren Einsatz jedoch mit Bedingungen. Sie seien bereit, „unverzüglich mit dem Praktischen Jahr zu starten, sofern das M2 nächsten Monat stattfindet und die Bestehensgrenze gesenkt wird.“ Die Petition schließt mit dem Hinweis: „Kein M2, kein PJ“.

Mehr als 12?500 Interessierte haben den Protest in den vergangenen Tagen mit ihrer Unterschrift unterstützt. Doch diskutieren die angehenden Mediziner die gemeinsamen Empfehlungen von IMPP und Medizinischem Fakultätentag durchaus kontrovers. So schreibt ein Medizinstudent: „Ich möchte lieber jemand sein, der in so einer Krisensituation mitwirkt und hilft, anstelle von rumsitzen und lernen. In derselben Zeit sterben Menschen, die vielleicht mit der sofortigen Hilfe von 4600 Medizinern doch überlebt hätten.“

Für „nicht akzeptabel“ hält dagegen ein anderer Student ein Verschieben der Prüfung. „Uns daran hindern, Ärzte zu werden, ist der falsche Weg. Es ist kein Problem genügend leere Turnhallen zu finden, und uns zum Examen weit genug auseinanderzusetzen, um das Infektionsrisiko zu minimieren.“ „Redet mit uns, entscheidet nicht über unsere Köpfe hinweg!“, so sein Appell.

Das IMPP bleibt trotz der Kritik bei seiner Empfehlung: Unter Berücksichtigung aller Umstände wäre die beste Alternative, das M2 im April 2020 nicht durchzuführen und die Möglichkeit zu schaffen, für die Prüfung zugelassene Studierende unmittelbar ins Praktische Jahr zu entsenden, so dass sich deren Studienzeit nicht durch das Warten auf einen potenziellen neuen M2-Termin verlängert, was für viele Studierende eine zusätzliche Belastung darstellen würde. „Die aktuelle Situation ist so noch nie dagewesen. Wir bitten alle Beteiligten darum um Solidarität“, verdeutlicht das IPMM.

Noch ist die Entscheidung über die anstehende Mediziner-Prüfung nicht gefallen. Derzeit stimmen sich das Landesprüfungsamt (LPA) im Regierungspräsidium Stuttgart mit dem zuständigen Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg und den anderen Landesprüfungsämtern sowie dem Bundesgesundheitsministerium ab, teilte das Regierungspräsidium Stuttgart mit. In Stuttgart hofft man auf eine rasche und vor allem eine bundeseinheitliche Entscheidung aller Länder.

Viele freiwillige Helfer

Als ein Zeichen von „unschätzbarem Wert“ wertet Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die große Bereitschaft von Medizinstudenten, in den Kliniken im Land zu helfen. 2200 Studierende haben sich nach Ministeriumsangaben bis vergangene Woche gemeldet. Tendenz weiter steigend.

Allein beider Fachschaft Medizin Mannheim waren es nach Angaben des Universitätsklinikums fast 500 Studierende. Sie sind zum Beispiel in der Landeserstaufnahmestelle in Heidelberg im Einsatz oder am Info-Telefon des Gesundheitsamtes.

In Tübingen waren es bis zum Wochenende rund 800 Studierende. „Das großartige Engagement freut uns sehr“, sagt Bianca Hermle von der Uniklinik. Ab Montag sollten die ersten Studenten ihre Tätigkeit aufnehmen. „Der Einsatz wird vielfältig sein: im medizinischen Bereich für Probentransport, Labor, Notaufnahme, Unterstützung auf Stationen oder im Besucherservice.“

Ich bin beeindruckt von diesem herausragenden Engagement“, so Ministerin Bauer. „Wenn uns diese Krise eines zeigt, dann ist es, dass Zusammenhalt auch in schwierigen Zeiten unser Land auszeichnet und dass die jungen Menschen ihre Verantwortung wahrnehmen.“ - aw