Scharapowa undweiteren russischen Sportlerndrohen mehrere Jahre Sperre

Sträfliche Gewohnheit

Nach ihrem Doping-Geständnis drohen Maria Scharapowa mehrere Jahre Sperre. Für die Einnahme eines Herzmittels, das russische Leistungssportler seit langem gewohnheitsmäßig konsumieren.

09.03.2016

Von STEFAN SCHOLL

Moskau. Maria Scharapowa gab sich kleinlaut. "Ich hoffe, ich werde noch eine Chance bekommen, Tennis zu spielen", erklärte die russische Weltranglistensiebte am Montag auf einer Pressekonferenz in Los Angeles. Scharapowa, 28, eine der fotogensten und laut Forbes mit 29,7 Millionen Dollar Einnahmen vergangenes Jahr die bestbezahlte Sportlerin der Welt, hat Doping gestanden. Genauer, sie gab zu, sie sei bei den Australian Open Ende Januar positiv auf das Herzmittel Meldonium getestet worden.

Meldonium, ein in Lettland zu Sowjetzeiten entwickeltes Medikament, stärkt die Durchblutung, wird seit langem von russischen Sportlern eingenommen und kam am 1. Januar 2016 auf die Dopingliste. Scharapowa, die seit ihrem 7.Lebensjahr in den USA trainiert und wohnt, erklärte, sie habe eine entsprechende E-Mail der Internationalen Dopingkontrollagentur Wada vom 22. Dezember übersehen. Ihr Hausarzt habe ihr seit 2006 Meldonium verschrieben, um Magnesiummangel, EKG-Abweichungen und Anzeichen von Diabetes zu bekämpfen. Jedoch sagte der Clevelander Kardiologe Steven Nissen der New York Times, es gäbe keine Indikation, Meldonium "jungen gesunden Sportlern" zu verabreichen. Und mehrere russische Sportärzte erklärten der Fachzeitung Sport Express, das Wada-Verbot für das Herzmittel sei schon im Oktober allgemein bekannt gewesen, der Körper scheide Meldonium frühestens sechs Wochen nach der letzten Einnahme aus. "Die spannende Frage ist, wie Scharapowa die Info über das Verbot verpassen konnte", sagt der australische Dopingexperte Richard Ings. "Sie hat doch ein enormes Team von Helfern."

Scharapowa ist nicht der einzige russische Meldonium-Fan. Gestern wurde bekannt, dass auch Eisschnelllaufweltmeister Pawel Kulischnikow und Shorttrack-Olympiasieger Semjon Elistratow bei Dopingkontrollen mit dem Herzmittel im Urin ertappt wurden. Am Montag hatte Jekaterina Bobrowa, Eistanz-Olympiasiegerin, dasselbe gestanden. Sie war Ende Januar bei der EM ertappt worden. Bobrowa versichert jetzt, ihr sei rätselhaft, wie Meldonium in ihr Blut gelangte. Sie hätte von dem Verbot gewusst, und streng darauf geachtet, nichts Derartiges einzunehmen. Ihr Partner Dmitri Solowjow aber verdächtigt auf Instagram fremde Missetäter: "Gott sieht alles. Mögen die bestraft werden, die versuchen, uns den Mund mit solch schmutzigen Mitteln zu stopfen, und nicht im ehrlichen Kampf auf dem Eis."

Auch russische Fachleute, wie Aleksei Lebedew, Sportchef der Zeitung Moskowski Komsomoljez, schließen eine Intrige gegen Bobrowa nicht aus. "Eiskunstlauf ist wie Ballett, ein Schlangennest, in dem sich Konkurrentinnen gegenseitig Glassplitter in die Schlittschuhe streuen."

Offenbar konsumierten sehr viele russische Leistungssportler die in jeder Apotheke für umgerechnet 3,50 Euro erhältliche Herzarznei gewohnheitsmäßig. Die jüngste WDR-Reportage zum Thema "Geheimsache Doping: Russlands Täuschungsmanöver" erwähnt eine Studie Moskauer Mediziner aus dem vergangenen Jahr, nach der von 4316 getesteten Athleten 17 Prozent Meldonium im Blut hatten. "Es wird immer in Verbindung mit anderen Präparaten eingenommen", sagt Eduard Besuglow, Arzt der Fußballnationalmannschaft. "Die Sportler bewerten seine Effektivität aus dem Bauch heraus". Sozusagen Doping light. "Dass auch Scharapowa Meldonium schluckte, lässt vermuten, ihr Arzt sei Russe", sagt Lebedew. "Aber ihr Auftritt auf der Pressekonferenz zeigt, wie gut ihre PR-Berater arbeiten." Ihr Geständnis könne ihre Strafe um einiges mildern.

Während Russlands Sportminister Vitali Mutko ihrem Team die Schuld in die Schuhe schob, nahm Scharapowa alle Verantwortung auf sich: "Es ist wichtig, ein tolles Team von Trainern und Ärzten zu haben", sagte die fünffache Grandslam-Gewinnerin. "Aber am Ende des Tages, hängt es von dir selbst ab, was du tust." Wie den anderen Meldonium-Sündern droht Scharapowa eine mehrjährige Sperre, zudem ein Einbruch ihrer Werbeeinnahmen, die Sponsoren Nike und Porsche haben die Zusammenarbeit bereits auf Eis gelegt. Absichtliches Doping wird mit bis zu vier Jahren Sperre bestraft, eine versehentliche Einnahme mit höchstens zwei. Nun wird spekuliert, ob der Internationale Tennisverband den Megastar mit ein paar Monaten davonkommen lässt. Und ob die Wada vor dem Internationalen Gerichtshof auf eine härtere Strafe klagen wird.

Das Mittel Meldonium

Wirkung Meldonium wird zur Behandlung von mangelnder Durchblutung und Sauerstoffversorgung im Körper eingesetzt. Sauerstoffmangel kann im schlimmsten Fall zum Absterben von Gewebe führen, etwa beim Herzinfarkt. Konkret verhindert Meldonium die Oxidation von Fettsäuren im Körper, die zu giftigen Ablagerungen im Gewebe führen kann. Bei Sportlern führt Meldonium zu einer allgemeinen Leistungssteigerung, die Erholungsphase wird verkürzt, die Motivation gesteigert.

Drei Titel in Stuttgart

Porsche reagiert Ein herber Rückschlag ist das Geständnis Scharapowas auch für das Stuttgarter Damen-Turnier im April und den Namenssponsor Porsche. Man bedauere die aktuellen Nachrichten, teilte der Sportwagenbauer mit. „Bis weitere Details hierzu bekannt sind und wir die Situation analysieren können, haben wir uns entschieden, die geplanten Aktivitäten auszusetzen“, hieß es in einer Mitteilung. Scharapowa ist beim WTA-Turnier dreifache Titelträgerin (2012, 2013 und 2014).

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Erstellt:
09.03.2016, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 09.03.2016, 08:30 Uhr

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