Benefizprojekt

Stofferl harft den Blues

Christoph Well, bekannt von der Biermösl Blosn, kommt ursprünglich aus der Volksmusik. Sieben Jahre lang hat er an einem Herzenswerk gearbeitet, unterstützt von prominenten Wegbegleitern.

17.11.2021

Von Udo Eberl

Gut gelaunter Künstler, der auch Gutes tut: Christoph Well mit seiner Harfe. Foto: Sammlung Well

Gut gelaunter Künstler, der auch Gutes tut: Christoph Well mit seiner Harfe. Foto: Sammlung Well

München. Wenn Christoph „Stofferl“ Well von seinem „Open Harp Blues“, einem 40-minütigen Nonstop-Song mit prominenten Gastmusikern, erzählt, dann ist er kaum zu bremsen. Schließlich ist dieses außergewöhnliche Stück auch eine Liebeserklärung an „sein“ Instrument, die Harfe.

Herr Well, wann kam Ihnen die Idee für diesen besonderen Blues?

Christoph Well: Ich hörte mir vor fast sieben Jahren ein paar meiner eigenen Harfen-Improvisationen an, die ich zur Entspannung spiele und für mich auch aufnehme. Bei einem Blues dachte ich: Eigentlich schade, dass er nicht eine Dreiviertelstunde dauert. Die Idee eines „Never Ending Blues“ mit unterschiedlichen Gästen ging mir dann nicht mehr aus dem Kopf.

Mit wem haben Sie Ihre Langstrecken-Idee zuerst geteilt?

Zuhause angekommen, rief ich Georg Ringsgwandl an. Der ermunterte mich nicht nur, er sagte auch zu, auf jeden Fall dabei sein zu wollen und empfahl mir, mit Nick Woodland einen Blues-Spezialisten mit ins Boot zu holen. Ich bin dieses lange Stück ganz strukturiert als eine Wanderung durch die passenden Tonarten angegangen und habe mir überlegt, in welcher Tonart ich beginnen und mit welcher ich aufhören will – eine Blues-Reise von der Geburt bis zum Tod.

Von welchen Künstlern wurden Sie bei den Aufnahmen, die sie mit ihren Zwischenspielen prägen, besonders überrascht?

Ich hatte überhaupt keine Erwartungen, war aber doch erstaunt, mit welch großem Können Helge Schneider seinen Part eingespielt hat. Er kam vor einem Konzert ins Studio, setzte den Kopfhörer auf und legte los. Er spielte das Vibrafon so präzise, dass man die Spuren der beiden Aufnahmen übereinander legen konnte. Nach der Frage, ob ihm vielleicht noch ein Text einfallen würde, hat er diesen in wenigen Minuten spontan auch noch eingesungen. Ganz anders war das mit Willy Michl, dem Urgestein des bayerischen Blues. Er hat unheimlich viele Takes aufgenommen, bis er auf den Punkt zufrieden war.

Weshalb hat es Ihnen ausgerechnet der Blues angetan?

Formal funktioniert dieser ja in einem festen Schema, ähnlich wie ein Landler. Den könnte man auch eine halbe Stunde spielen und müsste nur die Tonart ändern. Der Blues ist allerdings einfach eine starke emotionale Äußerung, man kann ihn nicht einfach so spielen. Man gibt immer etwas von sich preis. Manchmal ist das fast wie eine Nabelschau.

Und Sie haben jetzt den Blues?

Der Blues ist normalerweise gar nicht meine Musik, aber ich wollte ihn mit meinem volksmusikalischen Feeling zusammenbringen. Ich habe die einzelnen Beiträge von Konstantin Wecker bis Andreas Rebers und von Herbert Pixner bis zu Gerhard Polt wie Perlen an einer Kette aufgefädelt. Die durchgehende Harfenstimme ist die Schnur, die alles zusammenhält und verbindet.

Wieso kam der Blues erst jetzt so zwingend um die Ecke?

Ich bin ja sozusagen in einem Glashaus der Volksmusik aufgewachsen. Als ich zum ersten Mal „Honky Tonk Women“ von den Rolling Stones hörte, dachte ich: Wow, die covern ja Georg Ringsgwandl, denn ich kannte nur seine Version. Ich bin eigentlich erst mit dem 40. Lebensjahr in eine andere Art der Musik hineingekommen, und dann entwickelte sich schnell eine große Sehnsucht, unterschiedlichste Musik ausprobieren zu wollen. Und das mache ich auch wegen meines Alters nun viel entspannter und freier.

Warum hat es sieben Jahre bis zum Album gedauert?

Die erste Vorgabe war immer: Kein Zeitdruck, kein Stress, alles sollte allen Beteiligten einfach riesigen Spaß machen. Ich habe das Projekt nicht nur beinahe sieben Jahre in meinem Herzen getragen, ich habe mein Herz dabei auch verloren. Ich fragte die Tontechnikerin Beate Dichtl, ob sie die Aufnahmen übernehmen würde. Die Arbeit im Studio mit ihr war dann so harmonisch, dass sie jetzt Beate Well heißt. Außerdem fließt der komplette Erlös der Platte, für die alle Beteiligten ohne Gage ins Studio kamen, in das OpenHeartProjekt im Sudan, bei dem vor allem Kinder aus ganz Afrika unentgeltlich am Herzen operiert werden. Dabei handelt es sich oft um den Ersatz der Herzklappe bei Kindern, die an rheumatischem Fieber erkrankt waren.

Warum haben Sie genau diese Einrichtung ausgewählt?

Ich bekam selbst mit 14 Jahren eine solche Prothese und verdanke dieser Erfindung jetzt 47 weitere Jahre meines Lebens. Ich wurde wegen eines angeborenen Herzklappenfehlers zweimal operiert. Das war auch mit ein Grund, dass ich vom Solotrompeter der Münchner Philarmoniker zur Konzertharfe des Orchesters umgesattelt habe. Mein Glück, denn die Harfe ist bis heute mein Herzensinstrument. Ich übe jeden Tag mit großer Hingabe.

Ein Album fürs Herz

Man kennt Christoph Well, 61, als Teil der Biermösl Blosn. Auf dem bei Trikont veröffentlichten „Open Harp Blues“ sind Künstler wie Georg Ringsgwandl, Willy Michl, Conny Kreitmeier, Die Toten Hosen, Helge Schneider und Gerhard Polt in einem zwölftaktigen Blues ohne Pause zu hören. Mit dem Album wird über die Emergency Switzerland Foundation das „Salam Herzchirurgie-Zentrum“ in Khartum unterstützt (www.emergency.ch/de). „Alle Beteiligten wollen und werden mit diesem Album kein Geld verdienen“, betont Stofferl Well.

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Erstellt:
17.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 35sec
zuletzt aktualisiert: 17.11.2021, 06:00 Uhr

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