Ungleiche Bewerber

Stephan Neher ließ Joachim Schneider bei der Kandidatenvorstellung keinen Stich

Verhaltenes Interesse an der Oberbürgermeisterwahl: Nur etwa 150 Zuschauer kamen am Mittwochabend zur offiziellen Kandidatenvorstellung in die Festhalle. Sie erlebten einen gut vorbereiteten Amtsinhaber, der kaum Fragen offen ließ, und einen zwischen Ernst und Satire schwankenden Herausforderer.

10.03.2016

Von Ulrich Eisele

Ernste Gesichter bei der Fragerunde der Bewerbervorstellung zur Oberbuergermeisterwahl in der Festhalle. Joachim Schneider (links) hört gespannt zu, was Amtsinhaber Stephan Neher (rechts) eben erklärt. Finanzbürgermeister Volker Derbogen (Mitte) passt auf, dass sein Chef nicht zu lange redet. Bild: Ulmer

Ernste Gesichter bei der Fragerunde der Bewerbervorstellung zur Oberbuergermeisterwahl in der Festhalle. Joachim Schneider (links) hört gespannt zu, was Amtsinhaber Stephan Neher (rechts) eben erklärt. Finanzbürgermeister Volker Derbogen (Mitte) passt auf, dass sein Chef nicht zu lange redet. Bild: Ulmer

Rottenburg. Zieht man die Zahl der Gemeinderätinnen und -räte, Ortsvorsteher und städtischen Mitarbeiter/innen ab, dürften es kaum 100 Rottenburger/innen gewesen sein, die sich ein Bild von den zwei Bewerbern machen wollten. Der Amtsinhaber, Stephan Neher, 42, ist zu bekannt, und dem anderen, Joachim Schneider, 25, traut wohl kaum jemand zu, mehr als eine Handvoll Stimmen zu sammeln.

Dennoch lief die Bewerbervorstellung nach den üblichen Regeln ab: Finanzbürgermeister Volker Derbogen erklärte vorab die Regeln – jeder Bewerber spricht 15 Minuten, danach Fragen aus dem Publikum, die jeder Kandidat maximal zwei Minuten lang beantworten darf. Dann durfte Stephan Neher als erster loslegen. Der Rottenburger OB nahm die Sache nicht auf die leichte Schulter, hatte sich gut vorbereitet und hielt eine schnörkellose Rede, in der er seine Erfolgsbilanz sowie seine Vorhaben für die nächste Amtszeit schilderte. Stakkato-artig zählte er einige Projekte aus seiner ersten Amtszeit auf, deren Schwerpunkt auf dem Ausbau der Kinderbetreuung gelegen habe. Der werde sich in der nächsten Amtszeit auf die Schulentwicklung verlagern, kündigte Neher an: Ausbau der Gemeinschaftssschule in Ergenzingen, Neubau einer Grundschule auf dem Hohenberg, Ausbau und Renovierung der Realschule, Neubau einer Grundschule in Hailfingen.

Einen zweiten Schwerpunkt benannte Neher mit dem Begriff „soziale Stadt“: Darunter versteht er Intergrationsbemühungen – nicht nur um Flüchtlinge, sondern allgemein um Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien. Mit einer neuen städtischen Wohnbaugesellschaft will er im ersten Schritt 50 Sozialwohnungen auf dem DHL-Gelände bauen. „Arbeitsplätze“ und „Finanzen“ waren weitere Stichworte in Nehers Rede, die er mit der Bitte abschloss: „Schenken Sie mir Ihre Vertrauen!“

„Liebe Rottenbürgerinnen und Rottenburgunder“, begann der Regionaleinkäufer und „Die Partei“-Aktivist Joachim Schneider seine Rede. Er wolle um Rottenburg und Neustetten eine neue Stadtmauer herumbauen, einen Limes, kündigte er an. Die Justizvollzugsanstalt werde er in ein Hotel umwandeln und „nicht nur Kindergärten bauen, sondern sie auch befüllen mit vielen kleinen Schneiderleins“. Er schloss mit einem Namens-Kalauer: „Wählen Sie einen echten Schneider, anstatt nur einen Neher.“

In der anschließenden Runde trauten sich – erst zögerlich, dann zunehmend mutiger – zehn Personen ans Saalmikrophon (drei Frauen, sieben Männer), die Fragen zur Gymnasialentwicklung, den städtischen Finanzen, Schülerbeförderung, Unterstützung des Ehrenamts, Seniorenpolitik, Jugendförderung, Umweltschutz und zum Ausbau der B28 stellten. Stephan Neher antwortete meist präzise, manchmal auch ein wenig ausschweifend und machte nur wenige konkrete Zusagen. Joachim Schneider parierte mal satirisch, mal auch mit entwaffnender Ehrlichkeit, dass er von einem Thema „keine Kenntnisse“ habe.

Etliche Zuhörer reagierten verschnupft auf seine Äußerungen, etwa Ex-Baubürgermeister Holger Keppel, der sich „veräppelt“ fühlte. Andere wiederum wie Alt-Stadtrat Karl Schneiderhan fanden, dass der junge Mann etwas Leichtigkeit in den OB-Wahlkampf gebracht habe.

Die nächste Wahlkampftermine der Kandidaten

Am Samstag ist Stephan Neher ab 9 Uhr auf dem Rottenburger Metzelplatz anzutreffen, am Sonntag um 10.30 Uhr im Hailfinger Tennisheim, am Montag ab 19.30 Uhr in der Pilgerherberge Frommenhausen, am Dienstag um 19.30 Uhr in den „Arbach-Stuben“ Wendelsheim und am Mittwoch um 19.30 Uhr im Kiebinger „Hirsch“. Davor stellt er sich um 18.30 Uhr im Sportpark 18-61 den Fragen der Rottenburger Grünen.

Joachim Schneider will am heutigen Freitag und Samstag „in der Stadt durch die Kneipen ziehen“ und sich in den Teilorten zeigen.