Tübingen · Krisenbewältigung

Stadtverwaltung: Appell an alle über 60

Die Stadtverwaltung reagiert mit weiteren Maßnahmen und einigen Empfehlungen auf die Verbreitung des Coronavirus.

16.03.2020

Von slo

Den Wochenmarkt soll es weiterhin geben. Ansonsten ist das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Archivbild: Ulrich Metz

Den Wochenmarkt soll es weiterhin geben. Ansonsten ist das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Archivbild: Ulrich Metz

Die Stadtverwaltung hat heute ihre Organisation auf die Bewältigung der Corona-Krise in Tübingen umgestellt. Das teilte sie am frühen Abend mit. Unter Leitung der Verwaltungsspitze – bestehend aus Bürgermeisterin Daniela Harsch, dem Ersten Bürgermeister Cord Soehlke und Oberbürgermeister Boris Palmer – werden in allen betroffenen Einheiten Krisenpläne erstellt und Maßnahmen aktiviert, die einerseits dem Schutz der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung des Virus dienen und andererseits sicherstellen sollen, dass alle kritischen Systeme dauerhaft in ihrer Funktion erhalten bleiben können. Dazu wurde auch ein Krisenstab aus zehn Personen eingerichtet, der von nun an täglich tagt.

Weil bereits andere Länder, etwa Italien, Erfahrungen mit dem Verlauf der Erkrankung gemacht haben, liegt ein Schwerpunkt der Maßnahmen auf dem Schutz der Risikogruppen. Das sind Menschen mit Vorerkrankungen und Menschen über 60 Jahren. Oberbürgermeister Boris Palmer ruft diese Gruppen zu besonderer Vorsicht auf: „Wir können im Bereich der Kinder und Jugendlichen sehr schnell und sehr wirksam die Übertragungswege unterbrechen. Bei kranken und älteren Menschen haben wir darauf kaum direkten Einfluss“, wird er zitiert.

Die Stadtverwaltung appelliert daher dringend an alle Personen über 60 Jahre, zu Hause zu bleiben und alle Sozialkontakte, auch zu jüngeren Familienangehörigen, deutlich zu reduzieren. „Viele nehmen die Gefahr für sich und andere nicht ernst genug“, so Palmer. Die Stadtverwaltung schickt nun grundsätzlich alle Beschäftigten ab 60 Jahren ins Homeoffice oder richtet Möglichkeiten zur kontaktfreien Arbeit ein. Ausgenommen sind nur Bereiche, in denen die jeweilige Funktionseinheit nicht mehr arbeitsfähig wäre.

Auch der Stadtverkehr Tübingen reagiert auf die besondere Gefährdung älterer Menschen: Personen, die über 60 Jahre alt sind, sollen den Stadtbus nicht mehr nutzen. Als Ersatz für unabdingbare Besorgungen wird ein SAM-Angebot für Senioren eingerichtet.

Palmer ruft ergänzend zur Nachbarschaftshilfe auf: „Jüngere Menschen sollten älteren Nachbarn anbieten, Besorgungen zu erledigen, auch wenn diese noch vollkommen selbstständig sind. Das ist im Interesse aller, denn der Schutz der Älteren vor einer Infektion kann auch helfen, eine Überlastung der Kliniken zu vermeiden.“

Für die Kinderbetreuung hat die Stadtverwaltung ein System aufgebaut, das maximalen Schutz und maximale Betreuung sichern soll (siehe nächste Seite).

Innerhalb der Stadtverwaltung sind zahlreiche Teams dabei, robuste Strukturen aufzustellen, die auch für den Fall einer raschen Verbreitung des Virus alle wesentlichen Funktionen sicherstellen. Dazu gehört auch ein Notdienst für die Bürgerdienste. Das Bürgeramt in der Schmiedtorstraße ist bis auf weiteres nur noch einschränkt von 10 bis 12.30 Uhr geöffnet für dringende Angelegenheiten, die nicht verschoben und nicht schriftlich erledigt werden können. „Wir bitten darum, dass alle Bürgerinnen und Bürger zunächst telefonisch klären, ob die erbetene Dienstleistung zu den Notdiensten zählt“, so Palmer. Dazu gehören etwa Beurkundungen von Geburten oder Sterbefällen. Außerdem sollte man nur nach Terminvereinbarung im Innenhof des Bürgeramtes warten. Dort wird eine Freiluft-Abfragestation eingerichtet, so dass das Bürgeramt nicht betreten werden muss.

Den Wochenmarkt will die Stadtverwaltung weiter offen halten. „Der Wochenmarkt unter freiem Himmel ist ein idealer Ort zur Versorgung, wenn wir ausreichend Abstand halten und nach Möglichkeit das Fahrrad oder die Füße für den Transport nutzen“, so Palmer.

Die Stadtverwaltung schreibt, sie stehe im engen Austausch mit dem Landratsamt und den Kliniken, um alle weiteren Schritte zu koordinieren und möglichst planvoll zu handeln. Palmer bedankt sich bei allen, die jetzt an der Bewältigung der Krise arbeiten: „Ich habe in allen öffentlichen Institutionen und bei allen Gesprächen in der Stadtverwaltung besonnene und zupackende Menschen erlebt. Die Stärke unserer Institutionen, Probleme organisiert und zielgerichtet anzugehen, wird uns helfen, die Krise zu meistern. Ich danke allen sehr herzlich, die dafür ihre ganze Kraft einsetzen.“

Auf Facebook schreibt Bürgermeisterin Harsch: „Es gibt keinen Probedurchlauf für all das, was gerade kommt.“ Die Verwaltung arbeite nach strengen Vorgaben – und nach bestem Wissen und Gewissen. „Wir improvisieren und wir werden Fehler machen. Wir tun alles dafür, dass die Menschen in dieser Zeit so sicher wie möglich sind – und dafür, dass das öffentliche Leben auch nach dieser Zeit in unserer Stadt weitergeht.“

Um die Handlungsfähigkeit der Stadt auch finanziell zu sichern, ist gestern Abend der Ältestenrat des Gemeinderates zusammenkommen. Sitzungen, an denen alle Stadträte zusammenkommen, soll es in den kommenden Tagen nicht geben – damit entfällt unter anderem die Gemeinderatssitzung am Donnerstag. Räte und Verwaltung haben bei diesem Treffen darüber diskutiert, wie der Informationsfluss sichergestellt werden kann und ob die formale Entscheidungskompetenz auf den Oberbürgermeister übertragen wird.

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Erstellt:
16.03.2020, 19:57 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 16.03.2020, 19:57 Uhr

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