Ein Vergleich lohnt immer

Stabile Gaspreise auch in 2016?

Wer immer noch glaubt, der Gaspreis sei untrennbar an den Rohölpreis gekoppelt, irrt. Nach den Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft lag der Preis für ein Terajoule (TJ) Erdgas 2014 bei 6538 Euro, im Mai vergangenen Jahres waren es noch 5686 Euro – ein Rückgang um 13 Prozent. Dagegen fiel der Preis für Rohöl im gleichen Zeitraum buchstäblich in den Keller und verbilligte sich um stolze 40 Prozent. Kann die Entkoppelung und das Ende der Ölpreisbindung mittel- bis langfristig ein Segen für den Endverbraucher sein? Gegenwärtig jedenfalls macht sich Unmut unter den Gas-Endkonsumenten angesichts der aktuellen Erdgas-Entwicklung breit, die so überhaupt nicht mit den fallenden Ölpreisen korrelieren will. Was hat der Endverbraucher 2016 zu erwarten?

29.02.2016

Von Markus Müller

Ein Überangebot auf den Weltmärkten

Die Grünen-Umweltpolitikerin Bärbel Höhn brachte es auf den Punkt: Wer bei seinem Erdgas-Anbieter für 2016 keinen Preisrückgang für Erdgas verzeichne, solle ernsthaft in Erwägung ziehen, den Versorger zu wechseln.

Hintergrund ist, dass sich die Öl- und Gaspreise auf internationalem Parkett zwar stetig auf Talfahrt befinden – so fiel der Gaspreis in Europa seit 2014 um rund ein Drittel -, der günstigere Preis aber in keinem Verhältnis zu dem steht, was beim Endverbraucher ankommt.

So fasst die Wirtschaftswoche die Ergebnisse einer Studie des Hamburger Energiefachmanns Steffen Bukold zusammen, die von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben wurde.Demzufolge hat gerade die intensive Anwendung von Fracking-Techniken in den USA zu erhöhter Erdöl-Produktion und damit zu einem Überangebot am Weltmarkt geführt.

Die USA planen mit Hilfe der neuartigen Fracking-Methodik binnen 20 Jahren zum größten Ölproduzenten weltweit aufzusteigen und sich zu 100 Prozent selbst versorgen zu können. Mehr hierzu schildert die Dokumentation „Boom oder Blase? – Wie Fracking die Welt verändert“.

Beschwichtigungsversuche der Versorger

Mit den Fragen verärgerter Kunden konfrontiert, wiegeln die wenigen großen Ferngasanbieter die Kritik ab und verweisen auf eine Preisstruktur, die nur etwa zu einem Prozentsatz von gut 50 Prozent von den Beschaffungskosten abhänge, vielmehr seien steigende Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben für die eher moderaten Preissenkungen verantwortlich.

Dabei ist für den Verbraucher nicht nur ein Ärgernis, dass die wenigen Big Player am Markt einen Wettbewerb kaum zulassen und den deutschen Markt zu Ungunsten vieler kleinerer Konkurrenz-Anbieter beherrschen. Auch die Ankündigung des Sprechers des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) für 2016, dass steigende Netzentgelte für 2016 zu erwarten seien, die die Gaslieferanten dann in ihrer Kalkulation berücksichtigen müssten, treibt manchem Gaskunden die Zornesröte auf die Stirn.

Toptarif.de sieht zudem gerade in der Mehrwertsteuererhöhung der Bundesregierung um drei Prozentpunkte und der Erhöhung der Erdgassteuer auf 0,55 Cent/kWh noch weitere wesentliche Faktoren, die für den nur allzu zögerlichen Preisnachlass verantwortlich sind.

Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erdgas/ausgewaehlte_statistiken/egasmon.pdf)

Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erdgas/ausgewaehlte_statistiken/egasmon.pdf)

Neue Preisoffensive?

2015 fiel der Preis für 100 Liter Rohöl (bei Abnahme von 3000 Litern) im Vorjahresvergleich um rund 29 Prozent auf 56 Euro, im gleichen Zeitraum ging der Preis für Erdgas jedoch nur um zwei Prozent zurück. Dieses Ungleichgewicht wiegt umso schwerer, als die Prognose für das aktuelle Jahr keine wesentliche Verbesserung verspricht. So führt Steffen Bukold in seiner Studie weiter aus, dass

einige Anbieter stärkere Preissenkungen für 2016 angekündigt hätten. Aktuell sinken auch die Preise im Schnitt um 4,5 Prozent. Einziger Haken: Nur rund ein Fünftel aller Anbieter machen bei dieser Preisoffensive mit – darunter rund 180 Grundversorger in Deutschland.

Aber gerade die Tarife bei Grundversorgern sind tendenziell eher preiskonservativ, Grundversorgungstarife sind mit am teuersten. Daher nimmt sich ein Preisnachlass in diesem Segment eher wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein aus.

Mit Online-Tarifvergleichen unter den rund 100 regionalen Anbietern vor Ort lässt sich bares Geld sparen.

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Wer nicht vergleicht, zahlt oft zu viel

Wie Bukold für 2015 errechnet hatte, wurden die Verbraucher durch die zögerlichen Preisnachlässe um durchschnittlich 132 Euro Ersparnis pro Jahr für einen Durchschnittshaushalt verprellt. Das entspricht einem Zuviel von ca. 10 Prozent am Endpreis, gut 0,6 Cent pro Kilowattstunde.

Daher müssten die Versorger aktuell sehr gut begründen, dass sie ihre Preise nicht senken wollten, meint Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale.

Außerdem können Gaskunden laut zwei BGH-Urteilen rückwirkend bis 2012 Geld von ihrem Versorger für unrechtmäßige Preiserhöhungen zurückfordern. Das betrifft Haushalte mit sogenannter Gasgrundversorgung, die mit dem örtlichen Anbieter einen Standardvertrag abgeschlossen hatten und nicht über die Gründe der Erhöhung informiert worden waren. Profitmotivierte Preiserhöhungen müssen demnach zurückerstattet werden.

Letztlich entscheidet der Kunde, ob und wie lange es noch dauern wird, bis die Versorger dazu übergehen, die Kosteneinsparungen auch auf günstigere Tarife umzuschlagen. Der Verbraucher hat alle Trümpfe in der Hand und kann zur Konkurrenz wechseln, statt neidisch zu sein.

Zahlreiche Vergleichsportale machen es dem Kunden leicht, Überblick im Tarifdschungel zu bewahren und die Preise zu vergleichen. Besonders lohnt sich ein Anbieterwechsel dann, wenn die Heizperiode bevorsteht. Regionale Anbieter unterscheiden sich oft nicht nur in den Tarifen, sondern auch in ihrem Leistungskatalog, um sich vor Konkurrenz-Versorgern abzuheben.

Der Kampf um die Gunst des Kunden ist eröffnet, oder wie es ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin nüchtern formuliert hat: „Die Verbraucher können sich informieren und dann das geeignete Angebot auswählen“.

Die Botschaft von Experten und Verbraucherzentralen kommt langsam an: Mittlerweile machen immer mehr Haushaltskunden in Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch, ihren Energieversorger zu wechseln.

Die Botschaft von Experten und Verbraucherzentralen kommt langsam an: Mittlerweile machen immer mehr Haushaltskunden in Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch, ihren Energieversorger zu wechseln.

Trotz Überangebot werden die günstigeren Preise nur zögerlich an die Haushalte weitergegeben.

Trotz Überangebot werden die günstigeren Preise nur zögerlich an die Haushalte weitergegeben.

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Erstellt:
29.02.2016, 09:20 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 29.02.2016, 09:20 Uhr

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