Kulturpolitik

Bilanz von Kunstministerin Theresia Bauer: Staatstheater und mehr

Wie fällt die Bilanz von Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) aus? Ihr größter Erfolg ist die vorangetriebene Kolonialismusdebatte.

08.03.2021

Von JÜRGEN KANOLD

Kunstministerin Theresia Bauer im Februar 2019 mit Namibias Bildungsministerin Katrina Hanse-Himarwa. Baden-Württemberg gab damals geraubte Kulturgüter aus der Kolonialzeit zurück. Foto: Frank Steffen/Allgemeine Zeitung Namibia/dpa

Kunstministerin Theresia Bauer im Februar 2019 mit Namibias Bildungsministerin Katrina Hanse-Himarwa. Baden-Württemberg gab damals geraubte Kulturgüter aus der Kolonialzeit zurück. Foto: Frank Steffen/Allgemeine Zeitung Namibia/dpa

Stuttgart. Die Grünen und die Hochkultur. Vielleicht war das mal, in alten Zeiten, ein basisdemokratischer Widerspruch in dieser Partei gewesen. Oder auch nur das Klischee davon. Winfried Kretschmann jedenfalls, der so landesväterlich seit 2011 Baden-Württemberg regiert, liebt die Oper. Und trat gerne in Stuttgart auf als oberster Garant einer Generalsanierung des Littmann-Baus. Ein Milliarden-Projekt des Landes und der Landeshauptstadt, das in der Corona-Krise weit in den Hintergrund gerückt ist. Jetzt zählen Hilfsprogramme für Künstlerinnen und Künstler aus dem aufwändigen „Masterplan Kultur BW“. Trotzdem: Wie sieht die kulturpolitische Bilanz der Landesregierung nach dieser Wahlperiode aus?

Theresia Bauer (55) aus Heidelberg amtiert schon seit 2011 nicht nur als Ministerin der Grünen für Wissenschaft und Forschung, sondern auch für die Kunst, und zwar begleitet von einer Staatssekretärin für diese Sparte, seit 2016 ist es Petra Olschowski. Staatstheater zunächst: Das stand regelmäßig auf der Tagesordnung, auch mal tatsächlich als Drama. Mit ihren Personalien reüssierte Bauer zumeist, aber im Falle von Peter Spuhler hat sie ein teures Problem. 2019 verlängerte der Verwaltungsrat der Badischen Staatstheater unter ihrer Fürsprache vorzeitig den Vertrag des Generalintendanten bis 2026. Nach massiven Protesten der Belegschaft gegen Spuhlers Führungsstil ist dessen Abschied jetzt zum Sommer 2021 beschlossen, eine Interimsintendanz wird gesucht – und alles kostet.

Dafür läuft's in Karlsruhe mit der baulichen Erneuerung. Was man in Stuttgart noch nicht sagen kann. Bei der Sanierung und Erweiterung der Staatsoper befinde man sich nun „auf der Zielgeraden zu Grundsatzbeschlüssen“, die im Sommer 2021 fallen sollen, heißt es aus dem Ministerium auf Anfrage. Der neue Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) formuliert das drastischer: alles sei geschwätzt, man solle das Thema nicht „wie einen Kaugummi in die Länge ziehen“.

Man erinnert sich etwa an November 2015, als Theresia Bauer und der damalige Stuttgarter OB Fritz Kuhn (ebenfalls Grüne) sich in Kopenhagen und London auf einer Delegationsreise darüber informiert hatten, was modern gebaute oder modern sanierte Opernhäuser alles bieten können: Konsens, Euphorie – etwa in Sachen Kreuzbühne. Ein Befreiungsschlag damals. Es folgten Bekenntnisse, Planungen, Kostenschätzungen, unsägliche Debatten über eine Interimsspielstätte. Und es verstrich viel Zeit, was auch an Stuttgarts OB Kuhn lag, dem Partner im Verwaltungsrat der Staatstheater.

„Durchwachsen“

Martin Rivoir, der kulturpolitische Sprecher der SPD-Opposition im Landtag, spricht von „drei verlorenen Jahren“ beim Großprojekt Stuttgarter Opernsanierung. Rivoir zieht insgesamt eine eher „durchwachsene Bilanz“ von Kunstministerin Bauer. Was der Ulmer aber lobt, ist die „bundesweit vorbildliche“ Namibia-Initiative des Landes, die angestoßene Kolonialismus-Debatte. 2019 reiste Bauer nach Namibia, um eine im Kaiserreich gestohlene Familienbibel und eine Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi zurückzugeben.

Fragt man Ministerin Bauer selbst nach ihrer Kultur-Bilanz, stehen der „verantwortungsvolle Umgang mit dem kulturellen Erbe“ und die deutsch-namibischen Projekte an erster Stelle: „Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist immer Ausgangspunkt, um die Gegenwart zu verstehen.“ So ermöglicht mittlerweile das ethnologische Linden-Museum in Stuttgart einen virtuellen Zugang zu seinen Beständen. Geld dafür kommt aus dem Förderprogramm „Digitale Wege ins Museum“.

„Ist es nicht ein zutiefst demokratisches Anliegen, die digitale Technik dazu zu nutzen, Kunst und Kultur allen zur Verfügung zu stellen?“, fragte Bauer in der Publikation „Dialog 2020 – Kulturpolitik für die Zukunft“. Zwei Jahre lang hatte das Kunstministerium mit rund 1250 Beteiligten über neue Formate und Strategien diskutiert, dann überdeckte die Corona-Krise die geleistete Grundsatzarbeit. Es wird sowieso darauf ankommen, wie nachhaltig die Erkenntnisse umgesetzt werden. Und es tut sich was: Zum 1. April entsteht jetzt ein Kompetenzzentrum Kulturelle Bildung und Vermittlung; Regionalmanager für Kultur auf dem Lande sollen Ansprechpartner sein; 20 feste Stelle für Digitalexpertinnen und -experten in den Landesmuseen wurden geschaffen.

„Als verlässlicher Partner für die Kultur“ verweist das Kunstministerium darauf, dass der Kulturetat im Landeshaushalt seit 2011 um fast 40 Prozent auf knapp 540 Millionen Euro gestiegen sei. Das ist ein Statement. Und bei Corona-Hilfsprogrammen ist Baden-Württemberg vorne dabei. Wobei sich Theresia Bauer im Klaren ist, dass es jetzt einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“ von Kommunen, Ländern und dem Bund für ein Konzept bedürfe, „um die Lage der Kreativszene nachhaltig zu verbessern.“ Mehr als nur Staatstheater – das wird die Aufgabe im Kunstministerium auch nach der Wahl sein. Wer immer es leiten wird.

Zum Artikel

Erstellt:
08.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 08.03.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!