Tübingen · Abschiebung

Martin Rosemann: „Spielräume nicht genutzt“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann kritisiert die Begründung der Stadt, weshalb sie dem nach Pakistan abgeschobenen Bilal Waqas den Aufenthalt verwehrte.

21.01.2020

Von ST

Martin Rosemann. Archivbild: Anne Faden

Martin Rosemann. Archivbild: Anne Faden

Die Haltung von Oberbürgermeister Boris Palmer im Falle Waqas nach dem Motto ,Wir haben alles richtig gemacht und der Bund ist schuld an der Misere’ finde ich unerträglich“, schreibt der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann in einer Pressemitteilung. Er habe sich von einem im Ausländerrecht sehr erfahrenen Juristen beraten lassen und komme zu dem Ergebnis, dass die Stadt sehr wohl die Möglichkeit hatte, Bilal Waqas ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen. Die Frage, ob bei einer geringen Straftat im Einzelfall ein Ausweisungsinteresse bestehe oder nicht, sei eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde. Davon ist wiederum abhängig, ob die Erteilungsvoraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz vorliegen oder nicht.

Weiter schreibt Rosemann, es sei nicht zwingend gewesen, im konkreten Fall aufgrund des strafrechtlichen Verstoßes ein Ausweisungsinteresse anzunehmen. Hier müsse im Sinne des Ermessens der Einzelfall gewürdigt werden. Das städtische Ausländeramt habe hier im Sinne des Gesetzgebers durchaus Spielräume gehabt, die aber nicht genutzt worden seien.

Zwar habe Waqas bei seiner Einreise Ende 2013 Falschangaben zu seiner Person gemacht, diese jedoch durch Selbstanzeige ausgeräumt. „Ein solches Fehlverhalten kann im Ermessen der Ausländerbehörde zwar zu einem Ausweisungsinteresse und damit zur Verweigerung des Aufenthaltstitels führen, muss es aber im Sinne des Gesetzes nicht.“

Dabei sei neben der Schwere der Straftat auch die Gesamtsituation zu würdigen. Waqas sei inzwischen mit einer Deutschen verheiratet sowie berufstätig und bestens integriert.

Rosemann hält es für das Wichtigste, nun schnell zu klären, wie Waqas zurück nach Tübingen zu seiner Frau und seiner Arbeit kommen könne. „Richtig ist, dass Herr Waqas dafür so schnell wie möglich einen Termin bei der Deutschen Botschaft in Islamabad braucht, um die notwendigen Anträge stellen zu können. Dafür werde ich mich ebenso wie OB Palmer einsetzen.“

Die mit der Abschiebung verbundene Wiedereinreisesperre von 30 Monaten könne jedoch nur aufgehoben werden, wenn geklärt sei, wer die Kosten der Abschiebung übernehme – sofern eine mögliche Klage gegen die Abschiebung selbst nicht erfolgreich sei. Hierfür müsse das Regierungspräsidiums Karlsruhe einbezogen werden, auch wenn in diesem Fall vermutlich die Tübinger Ausländerbehörde und nicht das Regierungspräsidium letztlich für die Aufhebung beziehungsweise Reduzierung der Wiedereinreisesperre zuständig sein dürfe.

Zudem müsse auch dann wieder die Tübinger Ausländerbehörde einem Aufenthaltstitel zustimmen. „Und da stellen sich die gleichen Fragen, unabhängig davon, ob sich Herr Waqas in Tübingen oder in Islamabad aufhält“, so Rosemann. „Dass Boris Palmer da bereits die Zustimmung der Stadt signalisiert hat, ist zwar schön, es bestätigt aber, dass es eben doch ein Ermessen der Stadtverwaltung in dieser Frage gibt“, so Rosemann abschließend.

Palmers Kritik am Bund zum Thema Spurwechsel sei auch deshalb falsch, weil der Bund mit der zum 1. Januar 2020 geschaffenen Beschäftigungsduldung bereits gehandelt habe. Ausreisepflichtige Ausländer erhalten damit eine Beschäftigungsduldung für 30 Monate, wenn sie vor dem 1. August 2018 eingereist, seit 12 Monaten im Besitz einer Duldung sind und seit 18 Monaten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben.

Der Fall Bilal Waqas

Bilal Waqas ist Ende 2013 aus Pakistan nach Deutschland eingereist und hat unter falschem Namen einen Antrag aus Asyl gestellt. Nachdem dieser abgelehnt wurde, heiratete er seine deutsche Freundin und beantragte bei der Stadt Tübingen eine Aufenthaltserlaubnis – diesmal unter richtigem Namen. Den Strafbefehl, den er wegen der falschen Angaben bekommen hatte, bezahlte er. Die Stadt verwehrte ihm unter anderem wegen dieses Strafbefehls den Aufenthalt. Waqas’ Anwalt Ernst Adolf Egerter klagte gegen diese Entscheidung der Stadt. Das Schreiben Egerters erreichte das Verwaltungsgericht Sigmaringen am 8. Januar. Am frühen Morgen des 7. Januar wurde Waqas nach Islamabad abgeschoben. Er muss nun bei der Deutschen Botschaft Islamabad ein Visum zur Familienzusammenführung beantragen. Waqas hat keinen Aufenthaltstitel und auch keine Duldung. slo