Wie ein gesunder Sonnenbrand

Spezialisten untersuchen auf der Neckarinsel den Befall der Platanen durch einen Pilz

Die Tübinger Platanen auf der Neckarinsel sind völlig gesund – im Gegensatz zu manchen Baumkollegen in Reutlingen.

26.07.2018

Von Charlotte Siegmann

Kletterer Christian Krock sichert eine Platane auf der Neckarinsel. Er beseitigt Trockenholz und begutachtet möglichen Pilzbefall. Bilder: Metz

Kletterer Christian Krock sichert eine Platane auf der Neckarinsel. Er beseitigt Trockenholz und begutachtet möglichen Pilzbefall. Bilder: Metz

Haben die Platanen einen Ausschlag? Die Rinden der kahlen Bäume sind abgeblättert und liegen auf der Tübinger Neckarinsel.

„Die Platane macht das so wie der Mensch beim Sonnenbrand. Die Haut schält sich“, erklärt Michael Laub von der Firma Hansch Baumtechnik. Nicht nur Menschen im alljährlichen Sommerurlaub, sondern auch Eichen und Platanen machen das einmal im Jahr. „In diesem Jahr ist es besonders stark, weil Winter und Frühling feucht waren. Demnach sind die Platanen in diesem Jahr deutlich gewachsen“, sagt Laub.

Das Sindelfinger Unternehmen ist derzeit mit der zweiwöchigen Baumpflege auf der Platanenallee beschäftigt. Diese Arbeiten fallen einmal pro Jahr an. Laub erzählt, dass der diesjährige Jahresring der Bäume, und damit auch die Rinden, dicker sind, „aufgrund des vergangenen feuchten Jahres“. Auf dem Boden finden sich große Mengen an Platanenhaut. Ein Vorgang, der beweist: den Bäumen geht es gut.

Die Rinde der Platane blättert ab.

Die Rinde der Platane blättert ab.

Laub klettert mit seinen Kollegen in die fast 200 Jahre alten Bäume. Es gehe um die Sicherheit der Passanten durch herabfallende Äste, „und den Platanen-Pilz Massaria“, so Laub. Das erste Symptom des Massaria-Befalls ist die Rosafärbung der Oberseite an kleinen Ästen – von unten ist das gar nicht sichtbar. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu rußartigen schwarzen Verfärbungen der befallenen Bereiche. Sich dort befindende Äste können abfallen, da sich durch den Pilz eine Holzfäule entwickelt.

Pflege und Kontrolle durch geschultes Personal sind die einzig wirksame Strategie gegen die Pilzkrankheit der Bäume. Die Massaria ist seit den 80er-Jahren bekannt, in Deutschland trat sie erstmals 2003 deutlich in Erscheinung. In jenem Jahr, als es eine Hitzewelle und große Trockenheit im Land gab – Bedingungen, die der Pilz liebt. Firmenchef Michael Hansch, Fachagrarwirt für Baumpflege, sagt, dass sich nun auch alle Städte und Gemeinden des Problems sehr bewusst seien.

Wie der Pilz beseitigt wird

Auch Hansch bestätigt nach der Kontrolle, dass die Tübinger Platanen wegen des Alters zwar anfällig, aber völlig gesund seien. Kein einziger Massaria-Pilz wurde gefunden. Und auch nur sehr wenig Trockenholz holten die Arbeiter mit Seilen aus den Bäumen. An den Platanen in Reutlingen finde man Äste mit Pilzbefall, erzählt Hansch. Vor einigen Jahren war das auch in Tübingen noch so.

Der Pilz breitet sich von den kleinen, meist oberen Ästen auf größere aus. Deshalb müssen Bäume selten komplett gefällt werden. Um den Pilz zu bekämpfen, „können die betroffenen Stellen abgeschnitten werden“, sagt Hansch. Eine Heilung auf Dauer garantiert das aber nicht.

Die anhaltende Hitze spielt derzeit generell eine große Rolle. Hansch empfiehlt, die hausnahen Bäume zu gießen – auch, wenn sie nicht selbstgepflanzt wurden. „Sie oder Ihre Hauspflanzen wollen schließlich bei der Hitze auch etwas trinken“, ergänzt Laub. „Nur Kleckerle helfen da nicht.“ Beide sprechen von mindestens 200 Litern pro Woche und Baum.

Immerhin werden die Bäume im Herzen Tübingens von diesem Problem auf natürliche Weise verschont und geschützt. Hansch: „Genug Wasser trotz Hitze haben die Platanen wegen des Neckars.“

Die Platanenallee: Zukunft und Geschichte

Bereits im Jahr 1828wurden die 84 Platanen angelegt. Erst wegen einer Korrektur des Neckars 1910/1911 wurde die Allee zu einer Insel. Das Gastro-Fest Tübinger Sommerinsel musste 2005 von der Platanenallee weichen, weil die Wurzeln durch die An- und Ablieferung mit Fahrzeugen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aufgrund des hohen Grundwasserstandes und Alters sind die Bäume anfällig geworden. 2012 sagte Baubürgermeister Cord Soehlke im Gemeinderat, dass uns „das Sicherheitsproblem in den nächsten zehn Jahren einholen wird“. Inzwischen werden die Platanen mit Seilen zusammengehalten. Diese Lösung wurde einer Abholzung und Neubepflanzung vorgezogen. So wird die älteste Platanenallee Deutschlands erst einmal erhalten.

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Erstellt:
26.07.2018, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 26.07.2018, 20:00 Uhr

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