Weltfrauentag

So wurde der internationale Frauentag in der Region gefeiert

Erst vergessen, dann vom Sturm geplagt – der internationale Frauentag in Reutlingen hat am Mittwoch gegen viele Widrigkeiten ankämpfen müssen. Auch in Tübingen gab es Veranstaltungen.

08.03.2023

Von ilen/dem

Die Kundgebung in Reutlingen. Bild: Horst Haas

Die Kundgebung in Reutlingen. Bild: Horst Haas

An der Demonstration am Frauentag nahmen in Tübingen nach Polizeiangaben mehr als 300 Personen teil. Das Veranstaltungsteam zählte rund 650 Teilnehmerinnen. Um 17.30 Uhr versammelten sich vor allem junge Menschen trotz leichtem Nieselregen auf dem Marktplatz. Sie demonstrierten am feministischen Kampftag mit Sprechchören, Musik und Transparenten für mehr Gleichberechtigung von Frauen und queeren Personen. Der Demozug startete am Marktplatz, verlief durch die Innenstadt und die gesperrte Mühlstraße hinunter zum Zinserdreieck. Hier wurden Reden gehalten. Um 19.30 Uhr endete die Veranstaltung am Sternplatz im Französischen Viertel.

Die Themen der Redebeiträge waren sehr divers: Privatpersonen, aber auch Bündnisse wie „Ende Gelände“ thematisierten die Frauenrevolution im Iran, Transfeindlichkeit, Care-Arbeit, aber auch die Tabuisierung von Sexarbeit. Eine Privatperson erzählte von ihrem Schwangerschaftsabbruch. Noch immer werden Frauen, aber auch Personen abseits der Hetero-Norm, gesellschaftlich ausgegrenzt. OB Boris Palmer erschien ebenfalls auf dem Marktplatz und beobachtete die Geschehnisse. Er freue sich, dass die Stadt Tübingen gerade erst von der Bundesfamilienministerin mit einem Preis für die Gleichberechtigungsarbeit ausgezeichnet worden sei, so Palmer auf TAGBLATT-Nachfrage. Aber er sehe auch Probleme, so zum Beispiel den Gender-Pay-Gap: „Dass es nach wie vor in unserer Gesellschaft so einen großen Unterschied im Berufseinkommen zwischen Männern und Frauen gibt, ist ein Ärgernis, an dem wir weiter arbeiten müssen“, so Palmer. Seine Anwesenheit erfreute nicht alle. Es wurden immer wieder Schilder hochgehalten, die sich gegen den OB aussprachen. Erst am Dienstag hatten die Jusos den Politiker wegen „transfeindlicher Äußerungen“ auf Facebook kritisiert

Die Demo über die Tübinger Neckarbrücke. Bild: Ulrich Metz

Die Demo über die Tübinger Neckarbrücke. Bild: Ulrich Metz

„Bildung darf niemand verwehrt werden!“

Auf dem Reutlinger Marktplatz war kein Platz, weil der von den Ständen des Krämermarkts belegt war. „Ich bin echt geladen, die Stadt hat uns vergessen“, ärgerte sich Ingeborg Gerhardt, die Ortsvereinsvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie bekräftigte, dass eine Genehmigung für die Veranstaltung vorliege. So mussten die Verantwortlichen aber ihr Equipment an der Mauer des Spitalhofs am Ende des Marktplatzes aufbauen – und wurden prompt noch mit der geballten Kraft des Sturmes konfrontiert. Als der einen Verstärker umwarf, schwante Helfer Michael Bidmon von der IG Metall schon Böses. Doch die Technik hielt, und nachdem das arg strapazierte Zeltdach abgebaut war, konnte Gerhardt loslegen. „Kein Parlament auf der Welt bildet den Anteil von 50 Prozent Frauen ab“, sagte sie vor etwa 100 Zuhörerinnen und Zuhörern in dem engen Korridor zwischen Spitalhof und Krämerständen.

Deshalb forderte die Verdi-Funktionärin Frauen auf, im nächsten Jahr bei der Kommunalwahl zu kandidieren. Dass jüngst das Bundesarbeitsgericht entschieden habe, gleiche Bezahlung sei mitnichten Verhandlungssache, bei der sich Männer in der Regel besser durchsetzen, sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu gleicher Bezahlung. Dilek Kämmerle (Bild), die Sprecherin des Reutlinger Integrationsrats und im Sport für die Frauenförderung engagiert, gab Einblicke in ihren persönlichen und beruflichen Werdegang als Deutsch-Türkin: „Es war ein harter Kampf gegen eine strenge Erziehung. Deshalb will ich heute Frauen und Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund sagen: Bildung darf niemand verwehrt werden!“ Es sei erschütternd, wie vielen Missständen Frauen weltweit heute noch ausgesetzt seien, sagte die Aufnahmeleiterin beim SWR, bevor Vertreterinnen von anderen Gruppen und Verbänden wie Fridays for Future, Studierende der Sozialen Arbeit oder Verdi-Vertrauensfrauen zu Wort kamen.

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Erstellt:
08.03.2023, 20:39 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 40sec
zuletzt aktualisiert: 08.03.2023, 20:39 Uhr

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