Politik

SWP-Leitartikel: Skepsis regiert mit

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) überstrahlt mit seiner Bekannt- und Beliebtheit weiter alle und alles: die mehr oder eher weniger bekannten Mitglieder seines Kabinetts, die Skepsis seiner grünen Basis und nicht weniger Baden-Württemberger gegenüber der Neuauflage der grün-schwarzen Koalition.

21.07.2021

Von Roland Muschel

Seine Popularität kann helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in die seit gut zwei Monaten amtierende Regierung zu stärken. Zwingend dafür aber sind eine stringente, glaubwürdige Politik und die richtige Agenda.

Die Schwerpunkte, immerhin, stimmen: Mit dem neuen Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen und der tatkräftigen Ressortchefin Nicole Razavi (CDU) hat die Koalition ein Thema politisch aufgewertet, das die Bevölkerung als besonders dringlich ansieht: die Bekämpfung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum im Land. Ob das kleine Ressort die großen Erwartungen angesichts Zielkonflikten beim Flächenverbrauch und überschaubarer Landeskompetenzen erfüllen kann, muss sich indes weisen.

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz, das Grüne und CDU an diesem Donnerstag als erstes Gesetz der jungen Legislaturperiode in den Landtag einbringen, setzen die Koalition und die engagierte neue Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) zudem eine inhaltliche Duftmarke mit Signalwirkung: Anders als in der ersten gemeinsamen Regierung von 2016-2021, wo die Vorhaben noch am Veto der CDU gescheitert waren, sollen nun ein kräftiger Ausbau der Windkraft auch im Staatswald und die Ausweitung der Solarpflicht auf neue Wohngebäude kommen. Die Zustimmung in der Bevölkerung für die mit spürbaren privaten Investitionen verbundenen Pflicht ist bemerkenswert hoch. Dass mit Razavi und Walker ausgerechnet zwei Mitglieder des ziemlich großen Clubs der weithin unbekannten Kabinettsmitglieder zentrale Projekte verantworten, ist ein Stück weit Zufall – und eine Chance für die beiden Ministerinnen zur Profilierung.

Anders als bei den fachlichen Schwerpunkten hapert es an der finanzpolitischen Stringenz. Während Kretschmann schon mal über eine „Weiterentwicklung“ der Schuldenbremse philosophieren kann und damit deren Lockerung meint, gibt die CDU öffentlich den Lordsiegelbewahrer des grundsätzlichen Verbots neuer Kredite. Einig ist man sich indes, wenn es darum geht, die Ausnahmeregeln vom Neuverschuldungsverbot bis zur Schmerzgrenze und vielleicht auch darüber hinaus auszulegen.

Die vom Landesrechnungshof angemeldeten Zweifel an der Legitimität des 1,2-Milliarden-Kredits, den Grün-Schwarz an diesem Mittwoch beschließen will, kratzen an der Glaubwürdigkeit der Regierung und sind für den mit besten Referenzen ausgestatteten neuen Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) kein schöner Einstand. Denn die Schuldenbremse ist den Baden-Württembergern heilig. Wer in den Ruch gerät, es mit ihr nicht so genau zu nehmen, schafft kein Vertrauen, sondern nährt die Skepsis, die Grün-Schwarz eigentlich abschütteln will.

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