Ernährung

Skandalöse Zustände in Schlachthof

Der Verein „Soko Tierschutz“ hat schockierende Videos aus einem Biberacher Betrieb veröffentlicht. Die?Opposition fordert die Entlassung von Agrarminister Hauk.

26.11.2020

Von JENS SCHMITZ UND ALEXANDER OGGER

„Höllenqualen“ im Schlachthof: Die Bilder von „Soko Tierschutz“ zeigen schwere Missstände. Foto: Stefan Puchner/dpa

„Höllenqualen“ im Schlachthof: Die Bilder von „Soko Tierschutz“ zeigen schwere Missstände. Foto: Stefan Puchner/dpa

Ein Schlachthof-Mitarbeiter setzt an verängstigten Tieren mehrfach erfolglos das Bolzenschussgerät an, Schweine und Rinder hängen offenbar ohne Betäubung zappelnd an Haken; 30-mal ringt ein Schwein nach dem Kehlschnitt noch nach Luft, während es verblutet: Die Bilder, die die Organisation „Soko Tierschutz“ veröffentlicht hat, lösen heftige Kritik aus – und bringen Agrarminister Peter Hauk (CDU) unter Druck.

Nach eigenen Angaben hat „Soko Tierschutz“ im Zeitraum vom 5. Oktober bis zum 16. November etwa 1500 Schweine- und 785 Rinderschlachtungen in einem Biberacher Schlachtbetrieb gefilmt. Die Organisation hat ein knapp vierminütiges Video auf ihrer Website bereitgestellt; im ARD-Magazin „Fakt“ wurden Auszüge im Fernsehen gezeigt.

Die Filmer sprechen von technischem Versagen, Inkompetenz und „Höllenqualen“ für die Tiere: Rinder hätten fast ausnahmslos mehrfache Schussversuche ertragen müssen, bei den Schweinen gebe es regelmäßig Hinweise auf Fehlbetäubungen. Schlachter begännen die Zerlegung von Tieren, die teilweise offenbar noch bei Bewusstsein seien. „Die amtliche Veterinärin glänzt durch weitgehende Abwesenheit.“

Das zuständige Kreisveterinäramt Biberach zeigte sich „betroffen“ von den Bildern. Es lägen tierrechtliche Verstöße vor. Man werde die Vorgänge lückenlos aufklären und Strafanzeige erstatten. Der Schlachthof werde in Abstimmung mit dem Ministerium vorläufig geschlossen. Nach einer unangekündigten Kontrolle des Veterinäramts am Montag seien ebenfalls Mängel aufgefallen.

Landes-Agrarminister Peter Hauk (CDU) sprach am Mittwoch von „untragbaren Szenen“. Bis zu Klärung, wie es dazu kommen konnte, bleibe der Betrieb geschlossen. Es gehe auch um die Rolle des amtlichen Kontrollpersonals. Im September hatte nach Aufnahmen von „Soko Tierschutz“ bereits ein Schlachthof in Gärtringen schließen müssen, im Oktober dann ein Schweinebetrieb in Rottweil.

Die Landes-Tierschutzbeauftragte Julia Stubenbord erklärte auf Anfrage, die bisher bekannten Aufnahmen zeigten „schwere Verstöße in verschieden Bereichen der Schlachtung“. Gesetzliche Vorgaben müssten konsequenter umgesetzt werden. „Ein Sonderprogramm zur Überprüfung von Schlachthöfen von vor zwei Jahren hat deutlich gezeigt, dass es vor allem in den mittelgroßen Betrieben mit vielen Altbeständen massive Probleme gibt.“

Der Fraktionsvorsitzende der Landtags-SPD, Andreas Stoch, forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, den Agrarminister auszutauschen. „Der grüne Ministerpräsident hat jetzt lange genug zugesehen. Er kann seinen Tierschutzverhinderungsminister unmöglich länger im Amt behalten: Kretschmann muss Hauk entlassen!“

Der agrar- und tierschutzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Klaus Hoher, erklärte, Tierschutzgesetze dürften nicht nur auf dem Papier stehen. „Betäubungsanlagen müssen auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Systematische Kontrollen sind nötig. Die Veterinärämter müssen endlich die notwendige personelle Unterstützung bekommen.“

Gemeinsam wollen SPD und FDP das Thema am Donnerstag bei einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Ländlichen Raum auf die Tagesordnung setzen. Auch aus der Grünen-Fraktion wurde Kritik laut: „Das Maß ist überschritten“, sagte die tierschutzpolitische Sprecherin Thekla Walker. „Wir erwarten vom zuständigen Minister Hauk, dass er jetzt endlich die Zügel in die Hand nimmt.“ Sie forderte ein Konzept und einen klaren Zeitplan.

Der Schlachthof Biberach reagierte bis Redaktionsschluss auf einen schriftlichen Fragenkatalog nicht.

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Erstellt:
26.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 28sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2020, 06:00 Uhr

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