Stuttgart 21

Sinnvoll oder unnötig?

Seit langem gibt es Kritik an der Leistungsfähigkeit des neuen Tiefbahnhofs. CDU und Grüne haben Erweiterungen vereinbart. Die findet nicht jeder gut.

07.05.2021

Von DAVID NAU

Der Tiefbahnhof reicht der neuen grün-schwarzen Koalition nicht aus. Sie will das S21-Projekt ergänzen.  Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Tiefbahnhof reicht der neuen grün-schwarzen Koalition nicht aus. Sie will das S21-Projekt ergänzen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Während auf der Baustelle des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs unermüdlich weitergearbeitet wird und die neue Station immer mehr Form annimmt, geht auch die Debatte um die Zukunftsfähigkeit weiter. Seit langem tobt ein Streit, ob die Kapazitäten des neuen Hauptbahnhofs ausreichen, um den von der Politik erhofften Anstieg der Bahnfahrten auch aufzunehmen. Während die Gegner von Stuttgart 21 weiter fest überzeugt sind, dass der Tiefbahnhof schon bei der Einweihung im Jahr 2025 zu klein sein wird, richtet die Landespolitik im neuen Koalitionsvertrag den Blick in die fernere Zukunft.

CDU und Grüne haben die Initiative „Eisenbahnknoten Stuttgart 2040“ vereinbart. „Dabei geht es darum, mit Blick auf die Klimaziele für eine leistungs- und zukunftsfähige Infrastruktur im Eisenbahnknoten Stuttgart zu sorgen“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Und zwar mit Blick auf „Angebotssteigerungen in künftigen Jahrzehnten“, wie es in dem Dokument heißt. Dafür sind mehrere Erweiterungen für Stuttgart 21 vorgesehen.

So sprechen sich beide Parteien für den Bau eines Gäubahntunnels zwischen Böblingen und dem Flughafen aus, den der Christdemokrat Steffen Bilger, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, jüngst vorgeschlagen hatte, um die Fahrzeit auf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Zürich so verkürzen zu können, dass sie mit dem geplanten Deutschland-Takt kompatibel ist. Grün-Schwarz setzt auf eine „zeitnahe Umsetzung der Planungen und der Finanzierung durch den Bund“.

Die Bahn betonte in der Vergangenheit bereits mehrfach, dass man weiter an bestehende Verträge gebunden sei und an der geplanten Streckenführung über die S-Bahn-Trasse zum Flughafen festhalten werde, bis die Finanzierung durch den Bund geregelt ist und sich die Projektpartner auf eine Änderung des Finanzierungsvertrags geeinigt haben.

Auch die Panoramabahn über die westlichen Hänge der Landeshauptstadt in den Talkessel, die aktuelle Strecke der Gäubahn, soll laut Koalitionsvertrag erhalten bleiben.

In den Vertrag geschafft hat es außerdem eine Erweiterung von Stuttgart 21, die seit längerem von Hermann vorangetrieben wird: Eine zusätzliche unterirdische Ergänzungsstation im Bereich der heutigen Kopfbahnhofgleise. Damit wolle man „die Kapazitäten von Regionalverkehr und S-Bahn einschließlich verbesserter Robustheit bei Störfällen erweitern“. Dafür werde man „unverzüglich den perspektivischen Bedarf, den verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen und die Finanzierungswege ermitteln“. Man strebe eine Verständigung mit der Stadt Stuttgart und dem Verband Region Stuttgart an, sagt Hermann. „Deshalb sind die besorgten Äußerungen aus dem Stuttgarter Rathaus unnötig, wenngleich nachvollziehbar.“

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) befürchtet, dass eine Ergänzungsstation dazu führt, dass die Stadt die Bebauung des heutigen Gleisfelds „erheblich verzögern“ könnte. Nopper kritisiert, dass der Koalitionsvertrag, ein „Vertrag zu Lasten Dritter“ sei. „Das Land scheint die Rechnung ohne den Wirt machen zu wollen“, sagt Nopper und erinnert an die Pflicht zur Einhaltung der geschlossenen Verträge.

Lob für den Koalitionsvertrag kommt vom Verkehrsclub VCD. Dessen Landeschef Matthias Lieb begrüßt mögliche Erweiterungen von Stuttgart 21: „Es wäre ein Schildbürgerstreich erster Güte, für rund 12 Milliarden Euro einen neuen Stuttgarter Hauptbahnhof samt Schnellfahrstrecke nach Ulm zu bauen, um kurz nach Inbetriebnahme festzustellen, dass der Bahnhof an der Kapazitätsgrenze ist und erweitert werden muss.“ Die Stadt Stuttgart fordert Lieb auf, „Städtebau nicht gegen Eisenbahnverkehr auszuspielen“.