Tübingen · Frauenfilmtage

Sie nehmen ihr Leben selbst in die Hand

Die Lebensbedingungen von Frauen auf der ganzen Welt holt das Filmfest Frauenwelten der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes auf die Kinoleinwand. Der kleine Tübinger Ableger hofft auf einen Festivalstart Ende Mai.

04.05.2021

Von Dorothee Hermann

In einem abgelegenen iranischen Dorf starten die „Women of the Sun“ nicht nur bei einem Filmworkshop neu durch. Bild: Frauenfilmtage

In einem abgelegenen iranischen Dorf starten die „Women of the Sun“ nicht nur bei einem Filmworkshop neu durch. Bild: Frauenfilmtage

Wenn alles gut geht, bekommen Tübinger Cineastinnen und Cineasten bereits Ende des Monats wieder Einblicke in Frauenwelten rund um den Globus. Am 29. Mai soll der Dokumentarfilm „Women of the Sun: A Chronology of Seeing“ die diesjährigen Frauenfilmtage im Tübinger Kino Museum eröffnen. Die titelgebenden Frauen sind Weberinnen und andere Handwerkerinnen, die in einer alten Karawanserei in der iranischen Wüste anfangen, ihre Erzeugnisse selbst zu vermarkten. Und sie besuchen einen Filmworkshop und beginnen, mit der Kamera ihren Start in die wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit zu dokumentieren.

„Es sind Frauen aus dem hintersten Wüstendorf, die am allerwenigsten erwarten können, dass sie je etwas ändern können, aber ganz voranbringen“, sagte Irene Jung vom Festivalteam dem TAGBLATT am Dienstag. „Es ist ein sehr positiv gestimmter Film.“

Um das Massaker von Srebrenica aus der Perspektive einer Dolmetscherin für die Vereinten Nationen geht es im Drama „Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic („Esmas Geheimnis“). In einem Wettlauf gegen die Zeit versucht Aida, die eigene Familie und ihre Mitbürger zu retten. Die Regisseurin war bereits mit ihren früheren Filmen Frauenwelten-Festivalgast und möchte auch diesmal in Tübingen dabei sein – sofern Corona es zulässt. „Es ist auch ein Film über Mut und Beharrlichkeit“, sagte Jung. Auch politisch sei er sehr wichtig, „weil das Massaker von serbischer Seite noch immer geleugnet wird“. Der bundesweite Kinostart ist für Juli vorgesehen.

Als weiterer Festivalgast hat sich Regisseur Michael Kranz angekündigt. Sein Dokumentarfilm „Was tun?“ läuft beim Thementag „Ausstieg aus der Prostitution“. Er berichtet von zwangsprostituierten Frauen und Mädchen in Bangladesch und von Menschen, die dafür kämpfen, sie da herauszuholen und auch ihren Kindern eine Perspektive zu bieten. Zum Publikumsgespräch kommen auch Vertreterinnen der Initiative Sisters e.V., die sich für ein Sexkaufverbot einsetzen. Aus Kanada ist der Spielfilm „Honey Bee“ über die 14-jährige Natalie, die durch die Loverboy-Methode in die Prostitution gerät, aber die Chance zum Neuanfang bekommt.

Gemeinsam mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut präsentieren die Frauenfilmtage die Doku „We Are the Radical Monarchs“. Darin gründen acht- bis zwölfjährige „Girls of Color“ mit ihren Müttern eine alternative Pfadfindergruppe. Der Name bezieht sich nicht auf irgendwelche Herrscher, sondern auf eine Schmetterlingsart, die Monarchfalter. Die Mädchen engagieren sich gegen Gender- und Rassendiskriminierungen, setzen sich für soziale Gerechtigkeit ein und stellen stereotype Körperbilder infrage. Sie gehen zu „Black Lives Matter“-Protesten und werden zur Zielscheibe von Fox News.

Gleich neun internationale Filmpreise holte die Doku „Overseas“ über Haushaltshilfen von den Philippinnen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen in reichen Ölstaaten arbeiten. Diese Formen der Ausbeutung hätten die Menschen in den Industriestaaten „noch viel zu wenig auf dem Schirm“, so Jung. Die Doku „Leftover Women“ porträtiert drei junge Chinesinnen. Sie sind beruflich als Anwältin, Journalistin und College-Dozentin erfolgreich, aber mit 27 noch nicht verheiratet, also angeblich „übrig geblieben“.

Die Frauenfilmtage vom 29. Mai bis zum 1. Juni wären diesmal gewissermaßen das feministische Vorprogramm zum diesjährigen CineLatino, das am 2. Juni starten soll. Immer vorausgesetzt, die Corona-Lage lässt es zu: „Sonst verschieben wir die Frauenfilmtage, bis wir wieder ins Kino können“, sagte Jung. Für das Team ist es belastend, je nach Pandemie-Lage immer wieder umzuplanen. Doch die Festivalfrauen lassen sich nicht entmutigen: „Man kann nicht nur dasitzen und warten. Man muss die Dinge auch zum Laufen bringen.“

Terre des Femmes

Die Frauenrechtsorganisation bot Tübingen lange Jahre das Filmfest Frauenwelten: jeweils in der Woche des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Nach dem Umzug von Terre des Femmes (TdF) nach Berlin bleibt Tübingen ein kleiner Ableger, nun zum Weltfrauentag am 8. März. Das ermöglichen die TdF-Gruppe Tübingen/Reutlingen, die städtische Stabsstelle für Gleichstellung und die Integrationsbeauftragte, das Kino Museum, das Deutsch-Amerikanische Institut Tübingen, das Netzwerk 8. März und die Filmtage Tübingen.

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Erstellt:
04.05.2021, 22:09 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 58sec
zuletzt aktualisiert: 04.05.2021, 22:09 Uhr

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