Maßregelvollzug

Sicherheitsmängel in der Psychiatrie?

Die Landtags-SPD wirft Sozialminister Lucha Versäumnisse vor und verlangt eine Überprüfung der Einrichtungen.

06.10.2021

Von LSW

Minister Lucha: Sicherheit hat höchste Priorität. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Minister Lucha: Sicherheit hat höchste Priorität. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Nach dem Ausbruch von vier Männern aus der geschlossenen Psychiatrie vor knapp zwei Wochen verlangt die SPD-Fraktion, die landesweit fünf Maßregelvollzugsanstalten zu überprüfen. „Die vier Ausbrecher haben ihre Flucht mutmaßlich mit einem Mobiltelefon geplant und das Gebäude über ein nicht vergittertes Flurfenster verlassen“, sagte Strafvollzugsexperte Jonas Weber. Besorgniserregend sei, dass Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) keinen Überblick über die Sicherheitsdefizite habe. „Daher ist eine landesweite Untersuchung nötig, um Sicherheitsrisiken in allen fünf Standorten auszuschließen und weitere Bedrohungslagen für die Bevölkerung zu vermeiden“, sagte Weber.

Die vier Männer waren in einem unbeobachteten Moment aus dem Klinikum am Weissenhof in Weinsberg (Kreis Heilbronn) geflohen. Einer wurde einen Tag später gefasst. Die anderen drei, 24, 28 und 36 Jahre alt, sind noch auf der Flucht.

Ein Sprecher Luchas wies die Behauptungen der SPD als haltlos zurück: „Der Schutz der Bevölkerung, aber auch des Personals in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs, hat für das Land höchste Priorität.“ Im Ministerium gebe es dazu regelmäßige Dienstbesprechungen mit den Leitungen des Maßregelvollzugs. Sicherheitsbeauftragte kontrollierten und verbesserten die Sicherungen ständig. Dabei bestehe oft ein enger fachlicher Austausch mit dem Justizvollzug und der Polizei, so der Sprecher.

Zur Flucht nutzten die Männer einen schweren Beistelltisch. Mit dem drückten sie die Panzerglasscheibe aus dem Rahmen. Danach seilten sie sich an Leintüchern ab. Zuvor hatte es in Weinsberg laut Ministerium seit 2005 keinen Ausbruch aus dem gesicherten Bereich gegeben. Seit 2017 seien die Plätze des Maßregelvollzugs in den Zentren für Psychiatrie (ZfP) um rund 20 Prozent erhöht worden, von 1049 auf 1273 Plätze.

Es dürfe nicht sein, dass etwa 20 Prozent mehr Patienten im Maßregelvollzug mit derselben Personalstärke und mit derselben Technik wie vor der Überbelegung bewacht würden, sagte SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl. Außerdem müsse man sich mehr auf die Therapieabbrecher konzentrieren. „Hier ist eine Nachjustierung unbedingt nötigt. Das ist eine der Lehren von Weinsberg. Alle vier Ausbrecher standen vor dem Abbruch der Therapie und damit vor einer unmittelbaren Überstellung in den Strafvollzug.“

Unterdessen floh am Montag aus der forensischen Klinik im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch ein 42 Jahre alter Mann. Der Mann ist nach Angaben der Polizei seit 2011 in der Klinik auf einer geschlossenen Rehabilitationsstation untergebracht. Der 42-Jährige nutzte einen begleiteten Aufenthalt auf einem Bauernhof der Einrichtung zur Flucht. Er wurde am selben Tag wieder gefasst. dpa