Nationalmannschaft

Selbst die Weltmeister müssen sich bewähren

Vermeintliche Stammspieler wie Thomas Müller oder Mesut Özil spüren den Druck des Konkurrenzkampfs vor der WM 2018.

01.09.2017

Von ARMIN GRASMUCK

Beim FC Bayern zuletzt gefrustet auf der Ersatzbank, in der Nationalmannschaft als Stammspieler gesetzt: Thomas Müller stürmt heute beim WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien in Prag von Beginn an. Foto: Getty

Beim FC Bayern zuletzt gefrustet auf der Ersatzbank, in der Nationalmannschaft als Stammspieler gesetzt: Thomas Müller stürmt heute beim WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien in Prag von Beginn an. Foto: Getty

Prag. Das Foto mit der kleinen Leni ist wahrlich kein Volltreffer geworden. Just in dem Augenblick, als Thomas Müller kurz vor dem Abflug nach Prag das erst vor ein paar Monaten geborene Mädchen unbekannterweise von den Eltern für einen Schnappschuss in die Arme gedrückt bekam, begann es zu schreien. „Die freut sich ja richtig“, sagte der Torjäger in der ihm eigenen Ironie – und lachte. Ja, der Müller kann wieder lachen, zumindest im Kreis der Nationalmannschaft. Vorbei und verflogen scheint der Frust, der noch am Wochenende an ihm nagte, weil Carlo Ancelotti, sein Klubtrainer zuhause in München, erneut keinen Platz in der Startelf für ihn gefunden hatte.

In der deutschen Auswahl zählt Müller, der Weltmeister, Champions-League-Sieger und sechsmalige Deutsche Meister, zu den Platzhirschen. Die DFB-Oberen stärken ihm demonstrativ und überaus deutlich den Rücken. „Thomas ist einzigartig und eine feste Größe bei uns“, sagte Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. „Ich bin davon überzeugt, dass er mit den anderen deutschen Nationalspielern bei Bayern München die Achse bildet, die Erfolg garantiert.“

Ancelotti, der Müller bereits in der vergangenen Saison regelmäßig auf der Ersatzbank schmoren ließ, sieht es offenbar anders. In seinem auf festen Positionen basierenden System findet der Trainer keinen rechten Platz für den Torjäger, der sich aufgrund seiner unkoventionellen Spielweise nur schwer in ein Schema pressen lässt. Fehlen ihm die Einsatzzeiten im Klub und der daraus resultierende Rhythmus, könnte ausgerechnet in der WM-Saison auch seine Position in der Nationalelf in Gefahr geraten.

Es ist die Krux, die Müller wie mehrere verdiente Akteure der DFB-Auswahl zu meistern hat. Auch Ausnahmekönner wie die Weltmeister Mesut Özil, Jerome Boateng und Julian Draxler spielen auf Bewährung, das machte der Bundestrainer vor der Partie in der WM-Qualifikation (heute 20.45 Uhr/RTL) unmissverständlich klar. „Was in der Vergangenheit war, zählt nicht“, sagte Joachim Löw. „Ein Freiticket für die Weltmeisterschaft hat niemand. Jeder tut gut damit, starke Leistungen zu erbringen und sich bewusst zu sein: Was habe ich für Ziele und was will ich erreichen? Was muss ich tun, dass ich jeden Tag ein bisschen besser werde und in Form bin?“

Den Konkurrenzkampf um die Plätze für die WM 2018 in Russland hat der DFB-Coach bewusst verschärft. Die Akteure aus der zweiten Reihe, die im Juni überraschend beim Confed-Cup triumphierten, sind genauso wie die frischgebackenen Junioren-Europameister aus der U 21 aufgefordert, Druck auf die Etablierten zu machen. „Es ist unser Ziel, junge, neue Spieler so weit heranzuführen, dass wir uns in der Breite qualitativ verbessern und auf den einzelnen Positionen mehr Möglichkeiten als bei der EM 2016 haben“, sagte Löw.

Es gibt noch Fragezeichen

Ein Fixpunkt in den Plänen des Bundestrainers ist Mats Hummels. Der Abwehrchef erkennt in dem aktuellen Trend auch Parallelen zum eigenen Werdegang. „Wir haben damals das Gleiche mit den Etablierten gemacht, wir sind nach und nach reingerutscht“, sagte Hummels. „Das wird uns irgendwann auch passieren. Es warten hinter jeder Position drei, vier hochtalentierte Jungs. Das wird uns noch deutlich stärker machen.“

Vor den Pflichtspielen in Tschechien und am Montag in Stuttgart gegen Norwegen scheinen die bewährten Kräfte gesetzt zu sein. „Mats Hummels wird spielen“, verriet Löw entgegen seinen Gepflogenheiten bereits am Tag vor dem Anpfiff: „Toni Kroos und Thomas Müller. Mesut Özil, Jonas Hector, Marc-André ter Stegen. Dazu gibt es noch einige Fragezeichen.“ Die Akteure, die zum Einsatz kommen, sind angehalten, die richtigen Antworten zu liefern.