Schlagend zur Freiheit

Seit 2006 organisieren sich korporierte Sozialdemokraten im Lassalle-Kreis

Sozialdemokraten und Verbindungen? Was manchen als Widerspruch erscheint, ist für die Mitglieder des Lassalle-Kreises kein Problem. Am Wochenende feierte die umstrittene Vorfeldorganisation der SPD in Tübingen ihr zehnjähriges Bestehen.

08.08.2016

Von Philipp Koebnik

Wie üblich bei Verbindungsfeiern, floss beim Kommers des Lassalle-Kreises am Samstag reichlich Bier. Bild: Rippmann

Wie üblich bei Verbindungsfeiern, floss beim Kommers des Lassalle-Kreises am Samstag reichlich Bier. Bild: Rippmann

Tübingen. „Es stimmt: Verbindungen sind strukturkonservativ“, sagt Florian Boenigk. Er ist Bundesvorsitzender des Lassalle-Kreises, eines Zusammenschlusses von korporierten Sozialdemokraten. Mitglied der SPD und zugleich der (nicht schlagenden) Akademischen Verbindung Virtembergia zu Tübingen zu sein, ist für ihn kein Widerspruch. Ja, Boenigk rechnet sich sogar dem linken Flügel seiner Partei zu, wie er sagt.

Der 2006 gegründete Kreis hat mittlerweile knapp 300 Mitglieder. Von Donnerstag bis gestern trafen sich rund 50 Mitglieder zu einer Tagung in Tübingen. Dabei ging es nicht zuletzt um die Frage, „wie sich weitere Unvereinbarkeitserklärungen verhindern lassen“, so Boenigk. Der Hintergrund: Vor etwa zwei Jahren hatte der Parteivorstand beschlossen, dass eine Mitgliedschaft in der SPD und in einer Verbindung, die zum als extrem rechts geltenden Dachverband der Deutschen Burschenschaft gehört, nicht miteinander vereinbar seien.

„Sonst sind alle Verbindungstypen bei uns vertreten“, so der Vorsitzende. Schlagende Verbindungen sind also nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dass eine Doppelmitgliedschaft kein Problem sein dürfe, rechtfertigen die Mitglieder des Kreises mit Verweis auf ihren Namensgeber. Ferdinand Lassalle initiierte 1863 den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der als Vorläufer der SPD gilt. Lassalle war Mitglied der Breslauer Burschenschaft gewesen – er fand den Tod bei einem Duell. Auch Wilhelm Liebknecht, einer der Gründerväter der SPD, war ein Korporierter. Und so sangen die Lassalleaner bei ihrem Kommers am Samstag abwechselnd Studenten- und Arbeiterlieder, darunter „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“.

Damals wie heute wollten Verbindungen junge Menschen zu „streitbaren Selbstdenkern“ erziehen, betonte Dieter Eckert in seiner Festrede. Wo sonst könne man lernen, eine Veranstaltung zu leiten, Reden zu halten, mit Niederlagen umzugehen, oder „politisch so zu diskutieren, dass man danach noch ein Bier zusammen trinken kann“.

Mit Blick darauf, dass nach wie vor viele Verbindungen keine Frauen aufnehmen, warb Eckert dafür, die „Vielfalt“ nicht nur zu akzeptieren, sondern zu wollen. Es gelte, Traditionen zu bewahren und weiterzuentwickeln. Andreas Strecke gehört eher zu den Bewahrern. Erst 1970 habe mit Elfriede Aulhorn die erste Frau ein Ordinariat an der Tübinger Universität bekommen. „Wir haben also noch etwas Zeit“, so Strecke unter verhaltenem Gelächter. Im Übrigen warb er dafür, „nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame“ zwischen den Verbindungen herauszustellen. Von ein paar „verrückt gewordenen Jusos“ solle man sich „nicht einschüchtern lassen“.

Bier floss am Samstag reichlich, viel wurde gelacht. Zum Schluss des offiziellen Teils sangen die korporierten SPDler die Internationale. Manche riefen gar „Rotfront“ – mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

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Erstellt:
08.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 08.08.2016, 01:00 Uhr

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